Der mühsame Weg zum neuen Erlanger Baugebiet

18.5.2018, 11:00 Uhr
Der mühsame Weg zum neuen Erlanger Baugebiet

© Stefan Mößler-Rademacher

Dutzende von schweren Traktoren rollten ein und besetzten den Rathausplatz. Transparente und Parolen überall. Die Absage an die Pläne der Verwaltung konnte nicht klarer sein. Nur selten hat sich Bürgerprotest so eindrucksvoll formiert. Auch oben im Ratssaal. Die Szenerie mutete an wie der Aufstand von Verunsicherten. Rund 100 Bücherbacher drängten sich im Saal und verfolgten über vier Stunden lang die oft hitzige Diskussion und Entscheidung des Stadtrats über das anvisierte Baugebiet Erlangen West III.

Dort, zwischen Büchenbach und Steudach, zwischen Bimbach und Rittersbach, westlich hin zur Kieselbergstraße, und im Osten begrenzt vom Heckenweg unweit der Frauenauracher Straße und des Main-Donau-Kanals, genau dort, wo sich kleine Täler und Bäche zu einem Landschaftsschutzgebiet fügen, haben viele Landwirte und Biobauern ihre Felder, ihre Existenzen, um die sie jetzt bangen. Und dort soll ein neuer Stadtteil entstehen, der einst Platz bieten will für bis zu 10 000 Einwohner.

Das "Untersuchungsgebiet", wie es genannt wird, umfasst rund 196 Hektar. Etwa die Hälfte davon wird als "potenzielle Siedlungsfläche" gesehen und soll späterhin bebaut werden. Die Nachfrage nach Wohnungen ist bekanntlich sehr stark. Dass das auch in den nächsten Jahren so sein wird, davon geht man in der Verwaltung aus und sieht bis 2040 einen Bedarf von insgesamt etwa 12 000 neuen Wohnungen. Allein 4500 davon sollen in West III entstehen. Die Stadtplaner gehen dabei von einer städtebaulichen Dichte wie im "zentralen Teil" des Röthelheimparks und einem "hohen Grünanteil" aus. Doch wie dem auch sei – die protestierenden Bürger lehnen diese Pläne rundweg ab und bekamen dabei reichlich Unterstützung aus unterschiedlichen Richtungen wie von ÖDP, Linke oder der FWG.

Appell an die Ratsrunde

Die oft frustrierende Erkenntnis, dass Diskussionen lediglich ein Mittel zur Verhärtung der Standpunkte sind, ließ CSU-Fraktionsvorsitzender Jörg Volleth weitgehend unbeachtet und appellierte immer wieder an OB Florian Janik und die gesamte Ratsrunde, dem Antrag der CSU doch zu folgen und das Thema "Baugebiet West III" von der Tagesordnung zu nehmen. Denn es müsse vor einer solchen Entscheidung erst mit den Bürgern, den Landwirten und den Grundstücksbesitzern gesprochen werden – und zwar "auf Augenhöhe" in einer außerordentlichen Bürgerversammlung. "Erst reden, dann entscheiden! Nehmen Sie die Sorgen und Ängste der Leute ernst. Führen Sie einen Dialog", forderte Volleth energisch in Richtung OB Janik. In seiner Grundsatzrede sprach sich der CSU-Mann durchaus für den Bau neuer Wohnungen aus, aber nicht über den Köpfen der Bürger hinweg. Und dass Erlangen in den kommenden Jahren um Zig-Tausende Einwohner wachsen wird, wie‘s die Prognose der Verwaltung verheißt, sieht die CSU nicht so.

Volleths Rede, immer wieder begleitet vom kräftigen Beifall der Protestierenden, bildete den Auftakt einer wortreichen, über vierstündigen Debatte, in der zuweilen der gegenseitige Respekt wie auch grunddemokratische Verhaltensweisen erfolgreich ignoriert wurden, wo sich Anfeindungen mit Buh-Rufen vermischten, wo Rede und Gegenrede kurzzeitig zur Zungenschlägerei ausartete und OB Janik sich gezwungen sah, bei allen Beteiligten "Ruhe und Entspannung" anzumahnen, um so etwas die Hitze aus dem Gefecht zu nehmen.

Aber das Thema polarisierte. SPD-Rat Philipp Dees versuchte mehrfach deutlich zu machen, dass die Entscheidung lediglich der "Auftakt" sei, damit die Verwaltung ein Mandat bekomme, um die nötigen Gespräche führen zu können – auch mit den Bürgern. Dees, wie überhaupt die SPD, sieht in Erlangen West III den "richtigen und notwendigen Schritt" – unter anderem, um so eine Zersiedelung durch viele kleine Baugebiete zu vermeiden, um Planungssicherheit über Jahre hinweg zu schaffen, und auch um den Flächenverbrauch samt Versiegelung zu beschränken. Ähnliches kam auch von der Grünen Liste (GL). West III wird auch von dieser Seite als "einziges Entwicklungsgebiet" gesehen, das man schrittweise voran bringen kann. Allerdings, so GL-Rat Wolfgang Winkler, müsse man auch offen dafür sein, "dann auch aufzuhören", wenn sich die Bevölkerung weniger stark entwickelt als prophezeit. Mit dem Ja-Wort zu den Plänen der Verwaltung musste sich die Grüne Liste auch einige bissige Bemerkungen anhören. Denn bayernweit setzen sich die Grünen bekanntlich für ein Volksbegehren gegen den sogenannten Flächenfraß ein. Und vor der eigenen Haustür stimmen sie einem Vorhaben zu, das "ökologisch negative Konsequenzen" hat.

Durchaus bemüht um Sachlichkeit, führte auch FDP-Rat Lars Kittel allen im Saal nochmals vor Augen, dass es bei der anstehenden Entscheidung allein um den "Beginn von vorbereitenden Untersuchungen" für ein neues Baugebiet gehe. Und dieses "Untersuchungsgebiet" so groß zu bemessen, sei "der richtige Ansatz". Überhaupt seien es noch viele Schritte, bis irgendwann maximal 100 Hektar jener Fläche bebaut würden.

Viele Reden, bekannte Argumente, reichlich Wiederholungen. Alle Parteien und Fraktionen äußerten ausführlichst ihre Sicht der Dinge. Nicht zuletzt OB Florian Janik. Er sieht in West III einfach ein "Potenzialgebiet, das sich mit den geringsten Eingriffen in die Natur vernünftig erschließen lässt". Die schlechteste Alternative für ihn, wäre, nichts zu tun und abzuwarten. Dagegen würde ein positives Votum dem Stadtrat und der Verwaltung ermöglichen, das Gebiet in aller Ruhe zu entwickeln. Denn Janik möchte ausschließen, dass er irgendwann mal durch die Situation gezwungen wird, "schnell und schlechte Entscheidungen" zu fällen.

Das muss er vorerst wohl nicht. Denn am Ende wurde mit 26 Pro-Stimmen der Antrag der rot-grün-gelben Ampel beschlossen. Die Verwaltung wird nun beauftragt, "die Größenordnung von maximal der Hälfte des Untersuchungsbereichs für potenzielle Siedlungsfläche, inklusive Erschließung, nicht zu überschreiten". Außerdem wurden auch Antrags-Punkte der Freien Wählergemeinschaft einstimmig gutgheißen. Demnach sind die Eigentümer, Landwirte wie auch die betroffenen Ortsbeiräte "intensiv zu beteiligen", bevor weitere Schritte für den Bereich "West III" eingeleitet werden. Gespräche mit "Betroffenen und Bürger" sollen "auf Augenhöhe, zeitnah, umfassend und transparent" erfolgen.

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