Die Füße in Erlangen, den Kopf in der Welt

11.2.2016, 12:00 Uhr
Die Füße in Erlangen, den Kopf in der Welt

© Foto: Alena Specht

„Die Wissenschaft ist ein trockener Stoff, aber es darf trotzdem gelacht werden“. Dieter Seitzer, seit 1998 Träger des Goldenen Ehrenrings, meisterte in seinem Leben viele Herausforderungen mit Humor und traf risikoreiche Entscheidungen, die ihn letztendlich zu dem machen, was er heute ist: der „Urgroßvater des MP3 Players“, so Balleis. Doch dieser Weg war geprägt von zahlreichen Hürden und Skeptikern.

Die Berufsberatung riet ihm damals davon ab, denn „Deutschland bleibt sowieso ein Agrarland. Wer braucht schon Ingenieure?“. Trotzdem entschied sich der 1933 in Tübingen geborene Seitzer für ein Ingenieursstudium in Stuttgart. Schon allein um der strengen Aufsicht des Vaters zu entkommen, der sich für seinen Sohn ein Lehramtsstudium in Mathematik und Physik wünschte. Der Zeit des Wirtschaftswunders war es zu verdanken, dass der heute 82-Jährige nach erfolgreichem Studium „dutzende Angebote“ von Forschungsinstituten hatte.

Er entschied sich für die Arbeit im IBM-Forschungslabor in Rüschlikon in der Schweiz, die heute für ihn und seine Frau zu einer „zweiten Heimat geworden“ ist. Als er 1970 nach Erlangen kam, um als Professor am Lehrstuhl „Technische Elektronik“ an der Friedrich-Alexander-Universität zu arbeiten, machte die Stadt auf den Ingenieur zunächst einen trostlosen Eindruck, berichtete er. Heute muss auch er dem Klischee zustimmen: „Wer nach Erlangen kommt, weint zwei Mal – einmal wenn er kommt und einmal wenn er wieder geht.“ Seitzer entschied sich zum Bleiben und trug als Leitung wesentlich zum Aufbau des Instituts für Integrierte Schaltungen bei, das heute das größte Institut in der Fraunhofer-Gesellschaft ist.

Charakteristika des Ohrs

Die Grundlagen zur MP3-Technik wurden schon damals in Stuttgart gelegt, in der Schweiz durch Forschung an Sprach- und Bildkodierung weiterentwickelt und schließlich am Erlanger Lehrstuhl für Elektrotechnik zum Abschluss gebracht. „Für MP3 sind die Eigenschaften des Ohres ausschlaggebend“, erklärte Seitzer. Der Trick hinter dem komplizierten Verfahren sei, die Störgeräusche, die bei der Digitalisierung entstehen, mit anderen Signalen, wie Musik, zu überdecken. Dieses Ergebnis langjähriger Forschungsarbeit ist laut dem Ingenieur dem „Erlanger Modell der Kooperation von Politik, Wissenschaft und Wirtschaft“ zu verdanken und wird in dem Werk von Franz Miller „Die mp3-Story: Eine deutsche Erfolgsgeschichte“ erläutert.

Und was macht Seitzer heute, wenn er nicht in seinem Büro am Fraunhofer Institut oder in der Universität sitzt und dort Ratschläge an Studenten, Doktoranden und Professoren erteilt, er Zeit mit seinen Enkeln verbringt oder seiner Leidenschaft dem Wandern nachgeht? Dann ist Seitzer, wie Balleis abschließend kundtat „mit den Füßen in Erlangen und in der Fränkischen Schweiz und mit dem Kopf in der Welt“.

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