Ausstellung zum Jubiläum

Erlangen: 300 Jahre Altstädter Kirche

14.9.2021, 18:30 Uhr
Ein echtes Schmuckstück ist ein Kirchenfenster, das zwischen 1904 und 1961 im Chorraum angebracht und seitdem auf einem Dachboden ausgelagert war.

© Harald Sippel, no credit Ein echtes Schmuckstück ist ein Kirchenfenster, das zwischen 1904 und 1961 im Chorraum angebracht und seitdem auf einem Dachboden ausgelagert war.

Irgendetwas stimmt nicht in der Altstädter Kirche. Vorne am Kanzelaltar fehlt etwas. Wer genau hinsieht, bemerkt, dass der Apostel Petrus linkerhand immer noch die Schlüssel zum Himmelreich hält. Aber rechterhand klafft eine Lücke. Der Apostel Paulus steht nicht an seinem angestammten Platz. Für ein halbes Jahr ist er ins Stadtmuseum umgezogen.

Was nach Angaben von Brigitte Korn, Leiterin des Hauses, gar nicht so einfach war. Die lebensgroße hölzerne Statue hat denn doch einiges Gewicht. Der Transport erforderte kräftige Hände aus dem städtischen Bauhof. Nun kann man ihr, wie noch nie zuvor, Auge in Auge gegenüber stehen. Für Pfarrer Peter Baumann, selbst Historiker, ein ungewöhnliches Erlebnis.

Das älteste Exponat ist eine Figur aus Lindenholz, die deutliche Spuren des Holzwurmes aufweist. 

Das älteste Exponat ist eine Figur aus Lindenholz, die deutliche Spuren des Holzwurmes aufweist.  © Udo Güldner, NN

Kleinod aus Silber

Nicht ganz so groß ist eine Hostiendose, mit der sich Lea Jedynak aus Fürth beschäftigt hat. Das Kleinod aus Silber, das goldene Verzierungen trägt, hat es der Studentin der Kunstgeschichte angetan. Dabei kennt sie das Behältnis für die geweihten Oblaten wegen der Corona-Beschränkungen nur von Abbildungen. Das Objekt, das eine katholische Herkunft aufzuweisen hat, ist auch das rätselhafteste im Obergeschoss des Stadtmuseums.

Warum es wo, von wem und zu welchem Anlass hergestellt wurde, ist bislang noch nicht bekannt. Man weiß nur, dass der Name eines Obersten aus dem Baltikum eingraviert ist, der während des Dreißigjährigen Krieges mit den schwedischen Truppen in Franken eingefallen war. Beim Versuch, die Festung Reichenschwand zurückzuerobern, kam er 1634 ums Leben.

Sind stolz auf die geglückte Ausstellung: Anna Frasca-Rath (links) vom Institut für Kunstgeschichte der FAU und Stadtmuseumsleiterin Brigitte Korn.

Sind stolz auf die geglückte Ausstellung: Anna Frasca-Rath (links) vom Institut für Kunstgeschichte der FAU und Stadtmuseumsleiterin Brigitte Korn. © Udo Güldner, NN

Digitales Neuland betreten

Anna Frasca-Rath vom Institut für Kunstgeschichte der Universität Erlangen-Nürnberg und elf ihrer Studierenden haben sich nicht nur analoge Gedanken gemacht. Mit einer Reihe äußerst informativer Podcasts haben sie auch digitales Neuland betreten. Mit wertvollen Hintergrund-Informationen ergänzen sie die kurz gehaltenen Tafeln und bereichern so den Besuch.

Überhaupt zeigt die Schau, welch herausragende Bedeutung für die Stadtgeschichte die Altstädter Kirche und ihre beiden Vorgängerbauten hatten und haben. Schließlich ließ man sich auch von der Zerstörung im Dreißigjährigen Krieg (1632) und dem verheerenden Stadtbrand von 1706 nicht entmutigen und errichtete das evangelische Gotteshaus wie Phoenix aus der Asche bis 1721 noch einmal. Es ist einer dieser „Wendepunkte“, von denen in der Sonderausstellung noch häufiger die Rede ist.

Die Heilige Elisabeth und die Erklärung des Versuchs einer Annäherung an die ursprüngliche Farbgestaltung.

Die Heilige Elisabeth und die Erklärung des Versuchs einer Annäherung an die ursprüngliche Farbgestaltung. © Udo Güldner, NN

In einem der sechs kleinen, aber liebevoll gestalteten Räume wird man unversehens in die unmittelbare Vergangenheit gezogen. Ein Gaskocher erzählt von all den Menschen, die vier Jahre lang im Kirchenasyl ausgeharrt haben. Mit seiner Hilfe haben etwa eritreische Flüchtlinge im Mesnerhaus am Theaterplatz ihren Kaffee geröstet. So hat jedes Stück, das einem beim Rundgang begegnet, seine eigene, spannende Geschichte.

Barockes Kruzifix aus Elfenbein

Ein barockes Kruzifix aus Elfenbein erzählt von den „Welten“, die das Material durchquert hat, um schließlich in Erlangen gelandet zu sein. So wertvoll ist der Altaraufsatz aus „weißem Gold“, dass es Pfarrer Baumann nicht mehr einfach so im Kirchenraum stehen lassen will. So kann man es, da es sonst unter Verschluss ist, nur in der Sonderschau betrachten.

Die Studentin und das Kleinod aus Silber: Lea Jedynak vor der Hostiendose.

Die Studentin und das Kleinod aus Silber: Lea Jedynak vor der Hostiendose. © Udo Güldner, NN

Ein echtes Schmuckstück ist ein Kirchenfenster, das zwischen 1904 und 1961 im Chorraum angebracht war. So berichtet es die stellvertretende Museumsleiterin Sandra Kastner. Mit der Renovierung der Altstädter Kirche landete das gläserne Kunstwerk, auf dem Moses den Israeliten die Zehn Gebote bringt, auf einem geräumigen Dachboden. Mit sieben anderen Kirchenfenstern auch, von denen sich nur ein weiteres erhalten hat. Man hielt die Darstellung wohl für zu kitschig.

Kuriose „Wege“ sind es, die manch Objekt hinter sich gebracht hat. Das eine oder andere Exponat, wie ein Luther-Bildnis mit papstfeindlicher Inschrift, hat bisher ein Schattendasein an schwer zugänglichen Orten gefristet. Nun kann man erstmals die Details bestaunen.

Noch ein Exponat: Das Gemälde "Anbetung der Hirten".

Noch ein Exponat: Das Gemälde "Anbetung der Hirten". © Udo Güldner, NN

Unscheinbare Figur aus Lindenholz

Das älteste Exponat ist eine unscheinbare Figur aus Lindenholz, die deutliche Spuren des Holzwurmes aufweist. Immerhin ist sie den Schädlingen seit der Spätgotik um 1500 ausgesetzt. Mit einigem Aufwand hat man versucht, ihre ursprüngliche Farbigkeit zu erkunden. Das Resultat ist eine Heilige Elisabeth als 3D-Modell, das in ihrer bunten Pracht so gar nicht in ein protestantisch-nüchternes Gotteshaus passen will. Die Vermutung liegt nahe, dass sie auf dem Altar stand, als die Lutheraner noch nicht den Ton angaben und es sich noch um eine Marien-Kirche handelte.

Die Sonderausstellung „Welten – Wege – Wendepunkte“ ist noch bis zum 20. März 2022 im Stadtmuseum Erlangen am Martin Luther-Platz 9 zu sehen (Öffnungszeiten: Dienstag/Mittwoch 9 bis 17 Uhr; Donnerstag 9 bis 20 Uhr, 17 bis 20 Uhr freier Eintritt, Freitag 9 bis 17 Uhr, Samstag/Sonntag/Feiertage 11 bis 17 Uhr, www.stadtmuseum-erlangen.de). Die Podcasts kann man auch unter www.welten-wege-wendepunkte.de hören.

Keine Kommentare