Framatome ANP sucht einen neuen Standort

18.4.2003, 00:00 Uhr
Framatome ANP sucht einen neuen Standort

© Framatome

auch räumlich auf dem Siemens-Forschungsgelände quasi in die Ecke gedrängt — wird dem mit 1600 Mitarbeitern nach Siemens zweitgrößten Unternehmen in Erlangen nicht gerecht. Das sieht man auch in der Chefetage des Kernkraft-Spezialisten so und sucht deshalb — das gleiche gilt vergleichbar übrigens auch für die mit 400 Mitarbeitern zweitgrößte deutsche Niederlassung in Offenbach — einen neuen Standort im Raum Erlangen-Nürnberg.

Dass Oberbürgermeister Siegfried Balleis seinen potenten Steuerzahler - man darf das Aufkommen auf rund sechs Millionen Euro im Jahr schätzen — nicht so ohne weiteres ziehen lassen will, versteht sich dabei von selbst. Die hohe Besucherdichte von Kunden, Experten und Politikern aus dem In- und Ausland, die in Erlangens Beherbergungsbetrieben gerne gesehen wird, ist darüber hinaus ebenso ein Argument wie die hohe Beschäftigungswirkung am Ort durch externe Dienstleistungen.

Belegschaft hier lange heimisch

Natürlich wollen auch die beiden Geschäftsführer Ralf Güldner (49) und der gebürtige Erlanger Rüdiger Steuerlein (51) das „ER“ auf dem Autokennzeichen nach Möglichkeit behalten — schon mit Rücksicht auf die Belegschaft, die in ihrer großen Mehrheit aus vergangenen KWU-Zeiten die Kerntechnik betreut und sich deshalb langfristig im Erlanger Raum angesiedelt hat. Die hoch qualifizierten Fachleute tragen übrigens — das darf nicht übersehen werden — selbstverständlich auch zur hohen Kaufkraft in Erlangen bei . . .

Es sollen darüber hinaus weiterhin die Synergien genutzt werden, die sich aus den engen Verbindungen zur Universität ableiten lassen, ebenso durch vielseitige Geschäftsprozesse mit dem Siemens-Bereich Power Generation. Auf dem Siemens-Forschungsgelände besitzt Framatome Labor- und Versuchsanlagen — alles Fakten, die für Erlangen sprechen.

Framatome ANP ist 2001 entstanden, als Siemens das Nukleargeschäft aus dem Konzern löste und sich damit zu 34 Prozent beim französischen Kernkraft-Riesen Framatome — wiederum eine Tochter der Areva-Gruppe — beteiligte. Seitdem haben die Franzosen das Sagen bei den Nukleartechnikern in der Hugenottenstadt — wobei den Erlangern viel Selbstständigkeit und Entfaltungsmöglichkeit zugestanden wird. Ralf Güldner im EN-Gespräch: „Wir haben die unternehmerische Verantwortung.“

Im Auftragsbestand ist der Umsatz von zwei Jahren erfasst — was die Perspektiven des Unternehmens deutlich werden lässt. Die Erzeugung von Kernbrennstoffen macht knapp 50 Prozent des Umsatzes aus, mit dem Service bei Nuklearkraftwerken — in Deutschland beispielsweise sind derzeit 19 am Netz, die 31 Prozent des notwendigen Stroms liefern — erwirtschaftet man rund ein Viertel, der Rest bezieht sich auf den Bau neuer Reaktoren und der Komponenten-Fertigung.

Als Zukunftsmarkt erweist sich vor allem China, doch auch die Länder des früheren Ostblocks dürften hinsichtlich einer ausgedehnten Nachrüstung zur Expansion beitragen. So müssen die neuen Beitrittsländer der EU ja auch in punkto Energieversorgung die europäischen Standards erfüllen.

Finnland, wo man jetzt erstmals den neu entwickelten Druckwasserreaktor EPR angeboten hat (wir berichteten), die anderen skandinavischen Länder, aber nach wie vor auch Brasilien gelten als Kandidaten für Neubauprojekte. Und hinsichtlich der USA hofft man in Erlangen, mit der digitalen Leittechnik beim umfangreichen Nachrüstungsprogramm den Fuß gegen die globalen Mitbewerber Westinghouse und General Electric in die Tür stellen zu können. Der Status des weltweiten Marktführers verleiht da zusätzliches Selbstbewusstsein . . .

Weitere Internationalisierung

All diese Aufgaben will man in der Freyeslebenstraße mit einer konstanten Mitarbeiterzahl bewältigen — wobei der Nachwuchs im nuklear-technischen Bereich wohl zu einem großen Teil selbst ausgebildet werden muss. Rüdiger Steuerlein: „In den letzten vier Jahren hat in Deutschland kein Kernphysiker mehr die Universitäten verlassen.“ Man spannt Pärchen zusammen — und die erfahrenen Kerntechnik-Spezialisten bringen den Ingenieuren anderer Fachrichtungen bei, die nukleare Klaviatur zu beherrschen. Natürlich stoßen Absolventen aus dem Ausland dazu — was zu einer weiteren Internationalisierung des Personals (und damit letztlich auch der Erlanger Bevölkerung) beiträgt.

In den nächsten fünf Jahren stehen auf der Welt wohl sieben neue Kernkraftwerk-Blöcke zum Bau an — jeder mit etwa 2,5 Milliarden Euro veranschlagt. Sollte der Zuschlag öfters als erhofft nach Erlangen fallen — dann dürften für den Erlanger Ableger der Framatome ANP durchaus goldene Zeiten anbrechen. Und damit würde sich auch mehr als ein Silberstreif für die Stadt abzeichnen — vorausgesetzt, das Unternehmen bleibt ihr treu (siehe Kommentar und „Thema“).