Zwei Erlanger denken Physiotherapie neu

Gesund werden anstelle von Wohlfühlbehandlungen

6.8.2021, 18:30 Uhr
Gesund werden anstelle von Wohlfühlbehandlungen

© Harald Sippel, NN

Irgendwann begann Max Pfülb sich Fragen zu stellen. Fragen über seinen Job und den er bis heute eigentlich liebt. Menschen helfen, sie aus ihren Beschwerden, ihren Schmerzen, ihren körperlichen Einschränkungen herausführen, ihnen schon auch mal etwas Gutes tun sei es durchs Lockern der Muskulatur, mobilisieren eines Gelenks. Sie aber vor allem davon zu überzeugen, mit ein wenig Bewegung am Tag ihren Alltag bekömmlicher, unbeschwerter und vor allem glücklicher zu erleben. Deshalb ging Max Pfülp einst an die Physiotherapeutenschule. Deshalb arbeitet er bis heute mit Patientinnen und Patienten aller Altersklassen, aller Gewichtsklassen, mit Menschen, die zuvor noch nie wirklich Sport gemacht haben bis hin zu Leistungs- und Profisportlern.

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"Das ist so etwas wie eine Berufung", sagt Pfülb über Pfülb, "es macht mich einfach glücklich zu sehen, wenn man es als Therapeut schafft, dass der Patient Fortschritte macht." Doch genau auf das Ende der Fortschritte, sozusagen vollständig austherapiert glücklich, zufrieden und beschwerdefrei durchs Leben zu gehen, sagt Max Pfülb auch, dafür ist das klassische Gesundheitssystem eigentlich nicht ausgerichtet. Und deshalb begann er sich eines Tages die Frage nach dem Warum zu stellen.

"Ich möchte kein Teil dieses Systems mehr sein"

Es war die Zeit, in der auch Max Nimmrichter in Pfülbs Leben trat. Ein wenig jünger zwar, neun Jahre später erst als einer der Jahrgangsbesten von der Physiotherapeutenschule gegangen, aber jemand, den die Frage nach dem Warum bereits während der Ausbildung und seines Studiums der Physiotherapie in den Niederlanden Thiem van der Laan in Nieuvegen beschäftigte.

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"Wenn man sich ansieht, wie wir Physiotherapeuten mehr oder weniger durch die Vorgaben der Berufsverbände und Krankenkassen dazu gezwungen werden, Patienten immer nur soweit passiv zu behandeln, dass ihre Beschwerden lediglich temporär nachlassen, damit sie in wenigen Wochen oder Monaten wieder kommen, um frisches Geld ins System zu tragen, dann möchte ich nicht Teil dieses Systems sein."

Eigene Praxis seit Mai 2021

Im Mai 2021, mitten in der Pandemie, schlossen sich nun Pfülb und Nimmrichter zusammen, um ihr eigenes Konzept einer Praxis für Physiotherapie zu verfolgen - es ist nichts weniger als ein Kampf gegen das geltende und nach Meinung der beiden in die Jahre gekommene System der Physiotherapie. Daher nannten sie ihre Praxis in der Mozartstraße auch "e3 Physiotherapie - ehrlich, evidenzbasiert, effizient". Aufbauend auf den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen aus der Sport- und Bewegungswissenschaft ist es ihr Ziel, Patienten nicht wie ein Pendel nach ein paar Wohlfühlbehandlungen immer wieder in den Alltag zu entlassen mit der Gewissheit, dass sie mit denselben Beschwerden bald wieder kommen werden und so die Praxis finanzieren.

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"Unser größter Erfolg ist es, wenn der Patient nicht mehr kommen muss", sagt Pfülb. Finanzieren möchte er seine Physio-Praxis vielmehr dadurch, dass es sich rumsprechen soll, dass seine Patienten nicht zu Stammkunden werden.

Muskelaufbau statt Operation

Zwei solcher Patienten sind Lisa (Anfang 30) und Andrea (Ende 50), die kaum unterschiedlichere Beweggründe für ihre Therapien haben könnten: Lisa verletzte sich im Frühjahr schwer beim Wellenreiten in Spanien am Knie. Ihr Orthopäde stellte nach Rückkehr in Deutschland das Gelenk ruhig und riet zur Kreuzband-Operation. Gemeinsam mit Pfülb arbeitet sie nun ohne OP seit Mai am Aufbau der Muskulatur, um die Stabilität des Gelenks auf andere Weise sicherzustellen.

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"Durch das Ruhigstellen war meine Bewegung stark eingeschränkt", erzählt Lisa. Nach ausführlichem Vorgespräch und Untersuchung des Knies entwickelten Pfülb und Nimmrichter das Gegenteil eines konservativen, passiven Behandlungskonzepts: Sie begannen bald damit, das Bein wieder vorsichtig zu belasten. "Wir haben mit kontrolliertem Training die Muskulatur aufgebaut und nach wenigen Wochen konnte Lisa schon wieder so gut wie alles machen." Auch die Patientin bestätigt: "Es war definitiv der richtige Weg." Im Oktober möchte sie wieder zum Wellenreiten fahren, Pfülb sagt: "Das ist ein realistisches Ziel."

Ziel: Normalgewicht bis Jahresende

Bei Andrea war es anders. Das letzte mal Sport, sagt sie, hat sie als junge Frau gemacht, im Handballtor. Dann kamen die Kinder, der Job - sie stellte ihre Bewegung und ihre Bedürfnisse hinten an. Das hat zu Übergewicht geführt - so viel, dass die Arthrose in beiden Knien und Hüften nahezu unerträglich wurde. "Diese vier Meter zur Tür", sagt sie, "die waren maximal möglich. Dann wurden die Schmerzen zu groß." Durch das gezielte Aufbautraining, verschrieben als manuelle Therapie von ihrem Orthopäden, gelang es ihr nun nicht nur Kraft aufzubauen, den Gelenkknorpel besser zu ernähren und so die Schmerzen loszuwerden. "Sogar die Pfunde purzeln jetzt", sagt sie glücklich. Bis Ende des Jahres will sie auf ihr Normalgewicht kommen. Auch das, sagen die Therapeuten, ist ein realistisches Ziel.

Eigeninitiative als Grundvoraussetzung

"Natürlich aber haben wir auch die Patienten, für die eine Eigeninitiative, das Bewegen an sich, die Hilfe zur Selbsthilfe, aus unterschiedlichen Gründen nicht in Frage kommt", sagt Maximilian Pfülb.

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© Harald Sippel, NN

Dieses Eigenengagement, oder, wie Andrea sagt, dieser unbedingte Wille etwas an sich ändern zu wollen, ist die Grundlage für eine erfolgreiche Behandlung in der Praxis von Pfülb und Nimmrichter. "Wir sind keine Masseure", sagen die, "sondern wir sind Therapeuten, die mit Leidenschaft helfen, damit man selbst gesund wird." Und damit aus der ewigen Therapieschleife zurück ins Leben abbiegen kann.

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