HuPfla Erlangen: Erinnerungs- und Zukunftsort

2.7.2020, 11:00 Uhr
HuPfla Erlangen: Erinnerungs- und Zukunftsort

© Harald Sippel

Innerhalb eines Jahres kann sich viel ändern. Das wurde am Dienstagabend im großen Hörsaal der Medizinischen Fakultät deutlich. Hier stellten der Gedenkstättenexperten Jörg Skriebeleit, Leiter der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg, und sein wissenschaftlicher Mitarbeiter Julius Scharnetzky das "Rahmenkonzept für die Schaffung eines Erinnerungsortes an die Opfer der NS-,Euthanasie‘ in Erlangen" vor. Erste Einblicke hatten sie bereits vor einem Monat gegeben.

Im Juli 2019 waren sie von Stadt und Uniklinikum mit der Erarbeitung beauftragt worden. Doch an diesem Abend ein Jahr später – coronabedingt vor wenigen geladenen Zuhörern – gaben sie ihrem Vortrag einen anderen Titel und schickten damit voraus, in welche Richtung es geht: "Abschlussbericht zum Konzept für den Erinnerungs- und Zukunftsort ,Geschichte und Ethik der Medizin‘ in Erlangen".

Es sei ein "partizipativ und kommunikativ entwickeltes Papier", sagte Jörg Skriebeleit, aber "kein Kompromisspapier", im Gegenteil, sie seien auf Unabhängigkeit und Integrität bedacht. Anders ausgedrückt: "Wir haben’s regelmäßig verflucht, dass wir den Auftrag angenommen haben". Es habe Phasen gegeben, "da schien uns die Aufgabe zu groß", da schienen die "Interessen zu kontrovers".

Im Mittelpunkt stand, wie berichtet, die Diskussion um Erhalt bzw. Abriss des denkmalgeschützten sogenannten Kopfbaus der ehemaligen Heil- und Pflegeanstalt (HuPfla) als authentischen Erinnerungsort an einer Stelle, an der Uniklinik und Max-Planck-Institut mehrere Forschungsgebäude errichten wollen. Inzwischen ist klar, dass zwar ein großer Teil des 160 Meter langen Gebäudes abgerissen, der Mittelteil mit Teilen von Ost- und Westflügel aber stehen bleiben wird. Auch die ehemalige Direktionsvilla soll in das Konzept miteinbezogen werden. Der Kopfbau sei von den Befürwortern des Kompletterhalts "als Realmetapher für begangene Medizinverbrechen in toto" definiert worden, "wir haben den Auftrag von Anfang an grundsätzlicher und umfassender definiert", sagte Skriebeleit. 

Der Begriff des Erinnerns müsse erweitert werden, so der Kulturwissenschaftler, der sich damit im Einklang mit anderen Gedenkstättenleitern weiß. "Gedenken, Lernen, Forschen, Informieren, Sensibilisieren, Intervenieren" seien die Aufgaben des künftigen Orts. Zehn aufeinander aufbauende Maßnahmen empfehlen Skriebeleit und Scharnetzky für die Umsetzung. Durch die Bündelung aller Maßnahmen wäre der Erlanger Erinnerungsort nach Skriebeleits Worten einzigartig.

Demzufolge sollte ein musealer Dokumentationsort im "Kopfbau", außerdem ein Besucherzentrum in der ehemaligen Direktorenvilla angesiedelt werden. Das ehemalige HuPfla-Gelände sollte als Erinnerungscampus definiert werden. "Wir schlagen vor, dass man mit einem künstlerischen Wettbewerb nach innovativen Lösungen sucht."

Ein Lern- und Bildungsort – in "Kopfbau" und Direktionsvilla – soll sich dem Konzept zufolge sowohl an die breite Öffentlichkeit als auch an Mitarbeiter der Medizinberufe richten. Der Bereich der Forschung soll in mehrfacher Hinsicht bedacht werden: Zum einen mit der Schaffung einer Dokumentationsstelle für die derzeit in unterschiedlichen Archiven untergebrachten Akten der NS-Medizinverbrechen. Zum anderen durch den Ausbau der Interdisziplinären Forschung und Lehre im Hinblick auf medizinhistorische und medizinethische Fragestellungen – hier hat die Friedrich-Alexander-Universität bereits eine W2-Professur zugesichert. Skriebeleit und Scharnetzky empfehlen auch, die Etablierung des interdisziplinären Forschungsfeldes "Disability Studies" an der FAU voranzutreiben.

"Das war ein hartes Stück Arbeit für die Stadtgesellschaft, bis hierher zu kommen", sagte Oberbürgermeister Florian Janik. "Es hat uns vorangebracht, dass wir gestritten haben", konstatierte er. Jetzt werde es darum gehen zu überlegen, wie eine Trägerschaft aussehen könnte. In der nächsten Stadtratssitzung sollen Vorschläge vorgelegt werden. Danach muss das Konzept in konkrete Planung umgesetzt werden. Man werde, so Janik, Aufträge vergeben müssen, etwa für ein museales Konzept. Dann wird es auch ums Geld gehen. Von Freistaat und Bund gibt es Signale, dass die Bereitschaft für eine finanzielle Unterstützung vorhanden ist.

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