Erfolgreiches Medikament

"Ich war wie ein Zombie": Erlanger Forscher heilen Long-Covid-Patienten in nur zwei Tagen

31.8.2021, 12:45 Uhr
Das Team der Augenklinik mit Patient Oliver G. vor den Kopfkliniken des Uni-Klinikums Erlangen: Jakob Hoffmanns, Franzi Reith, Oliver G., PD Dr. Dr. Bettina Hohberger und Prof. Dr. Christian Mardin (v. l. n. r.). 

© Franziska Männel/Uni-Klinikum Erlangen, NN Das Team der Augenklinik mit Patient Oliver G. vor den Kopfkliniken des Uni-Klinikums Erlangen: Jakob Hoffmanns, Franzi Reith, Oliver G., PD Dr. Dr. Bettina Hohberger und Prof. Dr. Christian Mardin (v. l. n. r.). 

Nachdem die Augenklinik des Universitätsklinikums Erlangen Anfang Juli 2021 den weltweit ersten erfolgreichen Heilversuch bei einem 59-jährigen Long-COVID-Patienten verkündet hatte, sind nun zwei weitere Patienten durch das Medikament BC 007 auf dem Weg der Besserung.

Ein 51-Jähriger aus dem Allgäu und eine 39-Jährige aus Mittelfranken erhielten den Wirkstoff im Rahmen einer einmaligen je 75-minütigen Infusion und blieben danach drei Tage unter stationärer Kontrolle. Seitdem wird ihr Gesundheitszustand ambulant weiter überwacht. Die verbesserte Leistungsfähigkeit und Lebensqualität ist bei beiden Betroffenen deutlich spür- und messbar.

Infektion riss ihn aus dem Leben

Der zweite Patient, der den Wirkstoff gegen Long COVID erhielt, ist der 51-jährige Oliver G. aus dem Allgäu. Im Mai 2020 riss ihn eine Corona-Infektion aus dem Leben. Bis dahin war Oliver G. ein erfolgreicher, international tätiger Key Account Manager gewesen, mehrfacher Ironman und Skilangläufer mit einem gesunden Lebensstil. Infolge seiner COVID-19-Erkrankung litt er plötzlich unter starken Erschöpfungszuständen, Gleichgewichts-, Koordinations- und Gedächtnisstörungen sowie unter Muskelzuckungen und einem starken Zittern der rechten Hand und des Arms (Tremor).

"Das Zittern war so stark, dass es bis ins Bein ausstrahlte. Ich dachte irgendwann, ich habe Parkinson", berichtet G., der seinen fordernden Beruf im Vertrieb bereits im Mai 2020 aufgeben musste. "Ich war völlig desorientiert und unkonzentriert und versuchte einfach nur, zu überleben. Ich war ein Abziehbild meiner selbst – ein Zombie und nicht ich." Auch an Sport war nicht mehr zu denken.

Schon am Tag nach der Medikamentengabe verzog sich der Gehirnnebel und die Muskelzuckungen ließen nach. An Tag zwei wich der Tremor. Im Lauf der ersten Woche besserten sich Gleichgewicht, Erschöpfungszustände, Koordination und Gedächtnisleistung deutlich.

Die 39-jährige Patientin ist eine Grundschullehrerin aus Mittelfranken. Auch sie litt infolge ihrer COVID-19-Erkrankung unter massiver Abgeschlagenheit, Gleichgewichts-, Koordinations-, Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen und brain fog sowie an Gangunsicherheiten und Geschmacksstörungen. Dazu kamen zeitweise Lähmungserscheinungen in einer Hand und in einem Fuß. "Diese Patientin war die am schwersten von Long COVID Betroffene, die ich bisher gesehen habe", berichtet Bettina Hohberger. "Sie war nicht mehr arbeitsfähig. Ihre Gangunsicherheiten waren massiv. Gesprächen konnte sie nur sehr schwer folgen und schlief dabei ständig ein", berichtet die Ärztin.

Endlich für die Familie da sein

Auch die 39-Jährige bekam BC 007. "Schon an Tag eins nach der Gabe des Medikaments ließ der brain fog deutlich nach", sagt Bettina Hohberger, Fachärztin in der Augenklinik. "Ich freue mich täglich über jede Verbesserung und bin überglücklich, dass ich anfangen kann, wieder für meine Kinder da zu sein. Ich nähere mich meinem großen Traum: Selbstständigkeit, für meine Familie da sein und dann endlich wieder für meine Schulkinder", so die 39-Jährige am zehnten Tag nach ihrer Behandlung.

Auch Patient Nummer eins – dem 59-jährigen Bankkaufmann aus dem Landkreis Coburg – geht es drei Monate nach dem initialen Heilversuch am Uni-Klinikum Erlangen weiterhin gut. Er hat keine Long-COVID-spezifischen Beschwerden mehr, fühlt sich fit und ist aktiv.

Keine weiteren Heilversuche

Prof. Dr. Christian Mardin, leitender Oberarzt der Augenklinik, betont: "Eine vierte Behandlung mit BC 007 haben wir kürzlich noch durchgeführt. Jetzt wird es keine weiteren Heilversuche bei Patientinnen oder Patienten mit Long COVID mit dem Medikament BC 007 mehr geben. Wir haben beim Bundesministerium für Bildung und Forschung einen Antrag auf Fördergelder gestellt und hoffen, dass er bewilligt wird. Dann könnten wir vielleicht noch dieses Jahr mit einer klinischen Studie starten."

Menschen mit Long-COVID-Symptomatik können sich per E-Mail an recover.au@uk-erlangen.de wenden und werden kontaktiert, wenn die Studie startet und sie dafür infrage kommen.

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