Melodik und Endlos-Läufe

28.1.2009, 00:00 Uhr

Nun muss man sich zwei Dinge klar machen: Haydn klingt meist so leicht, so eingängig und tänzerisch, weil Profi-Orchester eine «Haydn»- Arbeit dranhängen, bis es soweit ist. Die Mitglieder des Siemens-Orchesters jedoch sind keine Profis, sondern Liebhaber, die im Freizeit-Musizieren Erholung und Kraft finden für ihre eigentliche Arbeit im «Kerngeschäft» des gleichnamigen Großkonzerns. Also alle Achtung vor dem Mut, ein Haydn-Programm in Angriff zu nehmen, das in den überaus anspruchsvollen Variationen über ein Thema Haydns, op. 56a von Johannes Brahms, gipfelte.

Unter der Leitung von Lukas Meuli erklang zunächst das eingängige St. Antonii-Choral-Thema in schlichter Andacht. In den acht Variationen danach wurde es aber ernst, denn der Weg zur Klangfarbenpracht und spannenden Dynamik führt nur über großes technisches Können und unbedingte Aufmerksamkeit. Ja, da prangten die Hornpartien, da erklommen Piccolo und Violinen schwindelnde Höhen und im Finale meisterten die Musiker selbstbewusst schwierige Einsätze samt Fuge.

Mittelpunkt war wie immer Dirigent Meuli, der mit unbändiger Kraft den großen Apparat zusammenhielt und die vielen «Solisten» zu ihren Auftritten aufrief. Auch Klugheit hat er bewiesen, indem er die «Eröffnungs»-Ouvertüre zur Oper «Il mondo della luna», Hob. XXVIII/7, in gemäßigtem Tempo anging, was der Darbietung wohl bekam. So blieben Präzision und Klangschönheit erhalten und bereiteten vor auf die große Symphonie G-Dur, Nr. 100, Hob. I/100, die so genannte «Militär-Symphonie».

Duftige Stellen

Nach tadellosen Endlos-Läufen der Streicher gelang die Einführung des zweiten Themas ganz fabelhaft. Überhaupt durfte man sich über sehr schön duftige Stellen freuen und musste die Nuancen-Vielfalt bewundern. Einmal mehr beeindruckte das Siemens-Orchester als Partner in Haydns Konzert Es-Dur für Trompete und Orchester, Hob. VIIe/1, zu dem man als Solisten Andreas Gruber, den ersten Trompeter der Wiener Symphoniker, hatte gewinnen können.

So weich ließ der das Blechinstrument klingen, dass man eher an Samt als an schrille Fanfaren dachte. Keine unnötigen Bewegungen simulierten Emotion, nein, er zelebrierte die anrührende Melodik des Andantes stehend wie ein Fels, dafür mit ehrlicher Empfindung. Im zügig, aber deutlich genommenen Finale zeigte sich das Orchester ausgesprochen virtuos, ein guter Partner für Gruber, der brillierte, ohne dem Glanz unkontrollierte Reflexe aufzusetzen.

Die vielen Zuschauer waren begeistert von dem «Haydn-Spaß», den die Freizeitmusiker bereitet hatten und bekamen noch zwei Zugaben. CORA UITTING