SPD-Stadtrat vor Gericht

Sie hatten einen Link gepostet: Erlanger Politiker sollen 1000 Euro Strafe zahlen

Jeanette Seitz

Redakteurin Nordbayerische Nachrichten

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22.2.2022, 16:58 Uhr
Liegt ein "Verstoß gegen das Kunsturhebergesetzes" vor oder nicht?

© Peter Steffen, dpa Liegt ein "Verstoß gegen das Kunsturhebergesetzes" vor oder nicht?

Munib Agha (32) und Lukas Eitel (23) sind empört. Sie sehen nicht ein, warum sie jeweils 20 Tagessätze à 50 Euro Strafe wegen eines "Verstoßes gegen das Kunsturhebergesetz" zahlen sollen. Deshalb sitzen die beiden jungen Männer nun vor dem Erlanger Amtsgericht.

In seinem Einspruch hat Aghas Verteidiger, Rechtsanwalt Alexander Hoffmann, die ganze rechtliche Einordnung beanstandet, er sieht keinen Verstoß gegen das Kunsturhebergesetz.

Beide Männer sollen im Dezember 2020 im Internet einen Link der Plattform indymedia.org geteilt haben - Munib Agha auf seinem eigenen Facebook-Profil, Lukas Eitel auf der Facebook-Seite der Partei "Die Linke - Erlangen/Erlangen-Höchstadt". Der geteilte Link beschäftigte sich mit der rechtskräftigen Verurteilung wegen Waffenbesitzes eines "Neonazis", heißt es in der Anklageschrift.

In dem verlinkten Beitrag wurde nicht nur das Alter und der Wohnort des Verurteilten genannt, sondern auch fast der vollständige Name sowie seine Zugehörigkeit zur Burschenschaft "Frankonia". Drei Fotos - immerhin mit schwarzen Balken über den Augen - komplettierten den Beitrag. Wegen dieser Häufung an identifizierbaren Informationen und der fehlenden Zustimmung des Geschädigten zur Verbreitung des Artikels und der Bilder sieht die Staatsanwaltschaft einen Verstoß gegen das Kunsturhebergesetz. Deshalb die Strafbefehle.

Für die Öffentlichkeit von Belang

Vor Gericht wollen sich die beiden Männer nicht äußern - nicht einmal zu der Tatsache, ob sie den Link überhaupt gepostet haben oder nicht. Unabhängig davon betont Verteidiger Hoffmann, dass hier ohnehin eine Ausnahme vorliege, weil der Geschädigte zum Zeitgeschehen gehöre "und es für die Öffentlichkeit von Belang ist, wenn jemand aus einer Burschenschaft wegen Waffenbesitzes verurteilt wird". Zudem sei das Teilen eines Posts "kein Öffentlichmachen im Sinne des Kunsturhebergesetzes", es handle sich nicht um eine Verbreitung, nur um eine Nutzung.

Bei einem Strafbefehl geht das Gericht davon aus, dass der Sachverhalt - hier also das Posten des Links - generell eingeräumt wird. Strittig ist dann oft die Höhe der Geldstrafe. Hier aber geht es um die rechtliche Einordnung, also die Frage, ob überhaupt ein Verstoß vorliegt. Weil Munib Agha und Lukas Eitel vor Gericht aber noch nicht einmal zum Posten des Links etwas sagen wollen, vertagt Richterin Simona Hemmelmann den Prozess. Zum nächsten Termin werden dann Zeugen geladen, unter anderem auch der Geschädigte sowie der ermittelnde Polizeibeamte.

"Wo sind die Prioritäten?"

Munib Agha schüttelt nur den Kopf. "Ich bin empört, dass so etwas überhaupt zur Verhandlung kommt", sagt er im Gespräch im Anschluss. "Wo sind denn da die Prioritäten?" Immerhin handle es sich bei dem vermeintlich Geschädigten um "eine rechtskräftig verurteilte Person, die mit Waffen posiert hat".

Und Lukas Eitel bedauert, dass sein ehrenamtliches Engagement als Kreisvorsitzender ihn nun als Angeklagten vor Gericht führe. "Das ist eine enorme Belastung", sagt er. Zumal er auf der Facebook-Seite von "Die Linke - Erlangen/Erlangen-Höchstadt" nur im Impressum als Verantwortlicher genannt ist. Ob er persönlich den beanstandeten Post überhaupt abgesetzt hat, bleibt an diesem Tag offen.