Türken in Franken - und ihre frühen Vorläufer

5.1.2010, 00:00 Uhr
Türken in Franken - und ihre frühen Vorläufer

© B. Böhner

Mit großer Wahrscheinlichkeit wurden für den Bronzeguss des Standbildes des Universitätsgründers Markgraf Friedrich auf dem Erlanger Schlossplatz Kanonen des Osmanischen Reiches eingeschmolzen. 16 Jahre bevor der bayerische König Ludwig I. 1843 seiner Erlanger Universität das Markgrafendenkmal zum hundertjährigen Jubiläum schenkte, hatte am 20. Oktober 1827 vor dem Peloponnes die Seeschlacht von Navarino getobt. Auf Grund des Sieges britischer, französischer und russischer Schiffe über die türkisch-ägyptische Flotte konnte Griechenland bald darauf nach einer jahrelangen Aufstandsbewegung seine Unabhängigkeit vom Osmanischen Reich erlangen.

Der aus Bayern stammende griechische König Otto, ein Sohn Ludwigs I., ließ die mit den untergegangenen gegnerischen Schiffen ebenfalls gesunkenen bronzenen Kanonen heben und bot sie in Europa zum Kauf an. Aus den bayerischen Beständen selbst griff man beispielsweise zum Guss der Bavaria oder des Obelisken am Karolinenplatz in München zurück und wohl ebenso auch für das Standbild des Markgrafen Friedrich in Erlangen.

Vier kauernde Sklaven

Direkteren Bezug zur türkischen Geschichte hat das 1711/12 geschaffene Reiterdenkmal im Schlossgarten. Es zeigt Markgraf Christian Ernst, den Gründer der Hugenottenstadt, in seiner Rolle als Feldherr. Zu seinen militärischen Verdiensten gehört das erfolgreiche Eingreifen seiner Reitertruppe bei der Befreiung des von den Türken belagerten Wiens (1683).

Die beiden liegenden Figuren unter dem Pferd des Markgrafen werden im Erlanger Stadtlexikon als ein Türke und als die Verkörperung des Neids («Invidia») gedeutet. Und die vier kauernden Sklaven an den Ecken des Postaments erinnern daran, dass in der Zeit der Türkenkriege oft Türken oder türkische Untertanen mit nach Deutschland verschleppt wurden. Sie wurden hier «bekehrt» und in oft spektakulären «Türkentaufen» in die evangelische oder katholische Kirche aufgenommen und mit einem neuen Namen versehen.

Professor Hartmut Heller hat den Lebensweg Betroffener untersucht und festgestellt, dass sie zu geachteten Mitbürgern wurden und Einheimische heirateten. So mag mancher Franke türkische Vorfahren haben. Die schöne, kluge und charmante Fatme wurde sogar zu einer Gräfin Castell, und aus dem sechsjährigen Türkenknaben Yussuf mit dem neuen Namen Christian Joseph Borgk wurde ein lutherischer Pfarrer in einem Dorf bei Windsheim.

Weisheit des Brahmanen

An friedlichere und schönere Arten der Begegnung mit dem Orient kann man an dem 1904 im Jugendstil errichteten Rückert-Brünnlein im Schlossgarten erinnern. Friedrich Rückert (1788-1866), der hochbegabte Dichter und Professor für Orientalische Sprachen, lebte mit seiner Familie von 1826 bis 1841 in Erlangen. Nach einem Wort des bekannten kirgisischen Schriftstellers und Rückert-Preisträgers Tschingis Aitmatov kann Rückert als «Vorläufer einer neuen Zeit» des kulturellen Dialogs gelten.

Denn er trug entscheidend dazu bei, «Brücken zwischen Orient und Okzident» zu bauen. Seine Studenten konnten bei ihm auch Türkisch lernen, eine unter den über 40 Sprachen, mit denen sich der Gelehrte genauer vertraut gemacht hatte. Von größter Bedeutung wurden vor allem seine Übertragungen wichtiger Werke aus dem Sanskrit, dem Persischen und dem Arabischen. Bis heute wird Rückert in Indien und dem Orient als Übersetzer hoch geschätzt.

«Wohl eine Zauberkraft muss sein in dem, /woran bezaubert eine Welt so hängt wie am Koran,» heißt es in seinem Lehrgedicht «Die Weisheit des Brahmanen». Er selbst beschäftigte sich seit 1823 mit einer vorurteilsfreien, vor allem die sprachlich-poetische Schönheit des heiligen Textes nachbildenden, leider nicht vollständigen Koranübersetzung, die 1995 vom Erlanger Islamwissenschaftler Hartmut Bobzin neu herausgegeben wurde.