Vor 65 Jahren war Erlangens Schicksalstag

17.4.2010, 00:00 Uhr
Vor 65 Jahren war Erlangens Schicksalstag

© Bernd Böhner

Prof. Harald Popp, ein hervorragender Kenner Erlanger Historie, hat auch den 16. April 1945 erforscht. In seinem Vortrag im Stadtmuseum stellte Popp vor allem den Konflikt zwischen dem damals amtierenden Oberbürgermeister Herbert Ohly und dem Kampfkommandanten Werner Lorleberg in den Mittelpunkt. Popp bezieht sich dabei auf einen ausführlichen Bericht von Herbert Ohly, den dieser 1946 über die letzten Kriegswochen und den Einmarsch der amerikanischen Truppen in Erlangen geschrieben hatte.

Den Anfang des Dramas markierte, wie so oft in den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs eine militärische Fehleinschätzung der Deutschen. Sie hatten den Angriff der bereits tief ins Land eingedrungenen US-Amerikaner von Westen her erwartet. Dechsendorfer Brücke und die Regnitzbrücke in Bruck sowie die Brücken über den Kanal wurden deshalb gesprengt.

Doch die Amerikaner kamen von Norden, ihr Ziel: Nürnberg, die Stadt der Reichsparteitage. Dort wollten sie am 20. April 1945, also am Geburtstags Adolf Hitlers, eine Siegesfeier abhalten. Von Bamberg kommend waren die Truppen nach Süden abgebogen und hatten in der Nacht vom 15. auf den 16. April 1945 den Burgberg besetzt. Die Stadt lag wie auf dem Präsentierteller vor den amerikanischen Kanonen. Die Amerikaner stellten ein Ultimatum, danach würden sie Erlangen in Schutt und Asche legen.

An der Front schwer verletzt

Der Berufssoldat Lorleberg war an der Ostfront schwer verletzt worden und sollte nach seiner Genesung in Erlangen den Volkssturm, also überwiegend Kinder und Greise, gegen die Amerikaner führen. Oberstleutnant Lorleberg war zur Verteidigung der Stadt fest entschlossen, auch wenn es in Erlangen so gut wie keinen Volkssturm gab.

Dies hatte Ritter von Schmidt, der als Führer des Volkssturms, die Ausbildung übernehmen sollte, verhindert. Er halte »den Einsatz der nicht richtig ausgebildeten und unzureichend bewaffneten für Mord«. Also verzögerte der Kreisstabsführer seit Oktober 1944 systematisch die Ausbildung und Bewaffnung des Volkssturms.

Am Freitag, 13. April 1945, begegnen sich Oberstleutnant Werner Lorleberg und der amtierende Oberbürgermeister Herbert Ohly das erste Mal. Vier Tage lang halten diese beiden Männer das Geschick der Hugenottenstadt in ihrer Hand. Bei einem Besuch in der Befehlsstelle in der Schillerstraße1 stellt Ohly dem Soldaten die Frage, ob Erlangen verteidigt oder kampflos übergeben werden soll. Lorlebergs Antwort ist eindeutig: Erlangen muss verteidigt werden, notfalls »bis zum letzten Ziegelstein und bis zum letzten Schuss«. Lorleberg war sich sicher, dass Truppen von der Front ankommen würden.

Am Samstag, 14. April, erklärte Lorleberg auf die erneute Frage von Ohly nach einer Übergabe der Stadt: »Ich bitte über dieses Thema nicht mehr sprechen zu wollen, da ich die Stadt bis zum letzten Schuss halten muss und eine Übergabe nicht in Frage kommt«. Am Sonntag, 15. April, antwortete Lorleberg auf diesselbe Frage, »dass die Verteidigung eines jeden Meters deutschen Bodens befohlen sei«.

Kranke und Verwundete

Vor 1939 lebten in Erlangen rund 39000 Einwohner. Bis April 1945 war diese Zahl auf rund 60000 angewachsen: 8000 Fremdarbeiter, vier bis fünftausend Evakuierte und knapp 7000 Kranke und Verwundete.

Am 16. April entschied sich Werner Lorleberg, diese Leben zu retten - und verlor wenig später sein eigenes. Laut Prof. Popp sei nicht klar, ob sich Lorleberg selbst mit seiner Pistole gerichtet oder von einer an der Thalermühle stehenden Kampfgruppe erschossen wurde. Erlangen wurde kampflos an die Amerikaner übergeben.