Fahrt in die Irre: E-Scooter-Debatte lenkt von Problemen ab

16.7.2019, 05:56 Uhr
Der E-Scooter ist überall, und macht mehr Probleme als er löst.

© Christoph Soeder/dpa Der E-Scooter ist überall, und macht mehr Probleme als er löst.

Die Generation, die sogar zum nächsten Briefkasten mit dem Auto fährt, stirbt langsam aus. Noch in den 70er Jahren war das gang und gäbe. Nur wenigen war klar, dass die große Freiheit des automobilen Lebens der Umwelt schadet. Wer das irgendwann mal kapiert hatte, der spazierte zum nächsten Briefkasten oder nahm das Fahrrad. In den vergangenen Jahren wurden es immer mehr Menschen, die in den Innenstädten ihr Auto stehen ließen. Sie standen ja oft nur im Stau oder in einer Baustelle. Und nun flitzt ein pubertärer Unsinn um die Ecke: der E-Roller.

Welche Strecken wird ein E-Roller ersetzen? Nur solche, die bisher absolut umweltfreundlich zurückgelegt wurden, zu Fuß oder mit dem Fahrrad. Seit Monaten wird dennoch freudig-aufgeregt darüber diskutiert, dass E-Roller in Deutschland zugelassen werden und was das für die Mobilitätswende bedeute. Wir haben nun bald Gefährte in unseren Städten, die zu 80 Prozent in China unter fragwürdigen Umweltbedingungen produziert wurden und Batterien aus seltenen Rohstoffen enthalten, die oft nur wenige Wochen halten.

Wir werden noch fauler

Dafür bekommen wir dann ein Fahrzeug, mit dem man außer ein paar Brötchen nichts transportieren kann. Eines, das den Straßenverkehr noch unübersichtlicher macht.

Und eines, das uns noch fauler werden lässt. Wer einen E-Roller nimmt, tut sich selbst keinen Gefallen, auch wenn er keinen schweren Unfall erleidet, was Experten demnächst für sehr wahrscheinlich halten. Es mag cool sein – nicht zufällig ist von "Micro-Mobility" die Rede – aber es ist umweltfreundlicher und gesünder zu laufen.

Die Diskussion um die Einführung der E-Roller lenkt von den Herausforderungen der Mobilität von Morgen ab. Gerade in Bayern müssen noch immer viele mit dem Auto zum Briefkasten fahren, weil der kilometerweit entfernt ist.

 

Bayern ist und bleibt ein Flächenstaat. 77 Prozent aller Bayern wohnen in kleineren Städten und Dörfern. Auf dem Land nutzt ein E-Roller nichts. Spricht man über E-Roller, spricht man über Luxusprobleme der Großstadt und über ein nettes Angebot für Touristen.

Statt über die umweltschädliche Neuerung zu diskutieren, sollte Roller-Fan und Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer seine Experten darüber nachdenken lassen, wie ein Bruckberger oder ein Neunkirchener von seinem Heimatort umweltfreundlich, bequem und günstig mit dem öffentlichen Nahverkehr zu seinem Arbeitsplatz fahren kann, egal wo der sich befindet. Das wäre eine lohnende Aufgabe. Doch die Politik lässt ihre Ministerien lieber ihre Energie in das Randthema E-Roller stecken.

Das Lifestyle-Objekt ist ein schönes Spielzeug, es bringt uns aber verkehrspolitisch keinen Kilometer weiter. Auf dem Land nicht einmal bis zum nächsten Briefkasten.

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