100 Jahre: Die bewegte Geschichte einer Forchheimer Innung

7.1.2021, 13:33 Uhr
100 Jahre: Die bewegte Geschichte einer Forchheimer Innung

© Repro: Udo Güldner

100 Jahre ist es her, dass sich die Klempner-, Installateur- und Heizungsbauer-Innung gegründet hat. Damals gaben Schmiede und Schlosser den Ton an. Zum Jubiläum hat sich Benno Dorn (70) auf die Suche gemacht. Der Installateur-Meister aus Buckenhofen hat selbst 1979 den Betrieb seines Vaters übernommen und ihn 2013 an seinen Sohn Stefan weitergegeben. Nun hat das langjährige Vorstandsmitglied in alten Protokollen gesucht.

Es ist der 9. März 1920, abends 8 Uhr, als sich im Nebenzimmer der Brauereigaststätte Fritz Schneider in der Hauptstraße 52 eine Anzahl honoriger Herren treffen.

Ehrbare Handwerker sind es, die sich zu einer Zwangsinnung zusammentun wollen. Ein Jahr lang hat man mit dem Stadtmagistrat und der Regierung von Oberfranken darum gerungen, eine schlagkräftige Interessenvertretung schaffen zu können. Denn noch spielen die mittelständischen Betriebe eine entscheidende Rolle im wirtschaftlichen Leben. Unter den Schlossern, Schmieden, Flaschnern, Installateuren und Kupferschmieden ist auch der 71-jährige Konrad Endres.

Viel zu tun in den 1920er Jahren

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Der erfahrene Mann, der schon seit 1879 als Kassier der Kolpingfamilie amtiert, hat noch weitere Vorstandskollegen: Wilhelm Moser (1878-1951), Georg Brunner (1876-1952), Hans Müller (1870-1929) und Georg Sitzmann (1870-1952). Für das Gesellen- und Herbergswesen sind Ägidius Dittmann (1864-1945) und Hans Lang (1889-1951) zuständig. Um das Lehrlingswesen kümmern sich Johann Ritter (1884-1963) und Johann Baptist Mayer (1884-1968).

In den 1920er Jahren werden die Innungsbetriebe viel zu tun bekommen. Insbesondere Bürgermeister August Reinhardt, aber auch seine Nachfolger investieren in den sozialen Wohnungsbau. So entstehen Quartiere etwa in der Kanalstraße, in der Friedensstraße oder der Birkenfelderstraße.

Die Weimarer Republik bringt auch mehr Mitbestimmung. 1927 tritt ein neues Arbeitsgerichtsgesetz in Kraft. In Forchheim sind es der Amtsgerichtsdirektor Friedrich Lechner und der Gewerbelehrer Jakob Kremer, die Streitigkeiten zwischen Meistern und Lehrlingen beilegen sollen.

Nach dem "Führerprinzip"

Das unfreiwillige Ende der Zwangsinnung kommt durch die Nationalsozialisten im Januar 1934. Danach gibt es eine Pflichtinnung, natürlich nur mit "arischen" Mitgliedern. Dieses Jahr bringt auch die Gründung der Kreishandwerkerschaft, mit der das "Führerprinzip" durchgesetzt wird.

Ein Mann soll nun für alle Innungen sprechen, von denen er allerdings gar nicht gewählt wird. Vielmehr wird er nach politischen Gesichtspunkten von oben her ernannt.

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Nach Fleischermeister Hans Lang (amt. 1934-1936) wird mit Heinrich Förtsch (amt. 1936-1940) ein Spenglermeister aus Höchstadt an der Aisch der Kopf der Handwerker. Nun für die drei Bezirksämter Forchheim, Ebermannstadt und Höchstadt. Die Zentrale der Kreishandwerkerschaft befindet sich in einem Zimmer Andreas Lerners in der Kapellenstraße 11.

Der zuerst ehrenamtliche Geschäftsführer bleibt fast drei Jahrzehnte lang im Amt. Die ständigen Weiterentwicklungen im technischen Bereich machen bald eine Aufteilung der Innung notwendig. 1936 gibt es die Schmiede, die Schlosser- und Maschinenbauer, sowie die Flaschner und Installateure. In dieser Zeit lernt Benno Dorns Vater Leonhard als Schmied bei Franz Dürbeck in Burk und Martin Frick, der in Forchheim Landmaschinen herstellt.

Handwerker im Krieg

Die Zerschlagung der Gewerkschaften 1933 hat es möglich gemacht, die Arbeitszeiten für Lehrlinge auf rund 55 Stunden in der Woche hochzuschrauben.

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Der Zweite Weltkrieg bringt Fronteinsätze und Todesfälle auch unter den Handwerkern. Er bringt aber auch viele Zwangsarbeiter aus dem besetzten Europa in die Werkstätten, die nun die Lücken schließen sollen.

Ihre Goldenen Zeiten erlebt die Innung nach dem Zweiten Weltkrieg. Zwar ist Forchheim von Bombardierungen oder Beschuss weitgehend verschont geblieben, die vielen Neubürger aber brauchen Wohnraum. Sie bringen handwerkliche Fähigkeiten und enormen Ehrgeiz mit.

Betrieb aufmachen ohne Kenntnis-Nachweis möglich

Freilich regiert bis zur Währungsreform 1948 der Mangel. Und dann führen die US-Besatzungsbehörden auch noch die absolute Gewerbefreiheit ein. Jetzt darf jeder der sogenannten "Auch-Handwerker" einen Betrieb aufmachen, ohne irgendwelche Kenntnisse nachweisen zu müssen.

Die Innung protestiert gegen die "Nichtskönner, kriminellen und asozialen Elemente, die gestern noch dunklen Schwarzmarkt-, Wucher- und Schiebergeschäften nachgingen."Der Bundestag wird 1951 dem Handwerk mit dem Meisterzwang den Rücken stärken.

Das ist angesichts der vielen jungen Menschen, die "auf der Straße stehen oder in Wirtshäusern herumlungern" auch höchste Zeit. Grundlehrgänge in der mit 40 Quadratmetern viel zu engen Meerrettichfabrik Kupfer in der Bayreuther Straße ziehen 38 Jugendliche an. Man kann sich in den Bereichen Metall, Textil oder Holz ausprobieren.

Eine neue Heimat

Diese Enge ist auch der Grund, warum ab 1955 das "Haus des Handwerks" in der Schützenstraße 26 entsteht. Auf 3500 Quadratmetern finden alle Innungen bis heute eine neue Heimat. Angesichts der Wirtschaftskrisen der 1970er und 1980er Jahre und schwieriger Auftragslage ist sich jeder selbst der nächste. Die Dumpingpreise, die allen Betrieben Verluste zufügen, sind Obermeister Egyd Dittmann 1984 ein Dorn im Auge.

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© Foto: Archiv

Die Lage entspannt sich in den 1990er Jahren trotz Wiedervereinigung nicht wirklich. Die Probleme der Innungsbetriebe klingen seltsam vertraut: Schwarzarbeit, Auftragsmangel, fehlender Nachwuchs, Billigfirmen aus dem osteuropäischen Ausland, Hobbyhandwerker, die bei sich zu Hause alles selber machen . . .

Dabei wäre in Sachen Wellness, erneuerbare Energien und effizientes Heizen viel zu tun. Im Jahre 2000 wird Werner Oppel zum Obermeister und ist es bis heute. Es sind Zeiten großen technischen Wandels, die zur heutigen Innung für Sanitär, Heizungs- und Klimatechnik führen.

Die wichtigsten Namen und Daten der Innung

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Gründungsmitglieder 1920: Johann "Hans" Reck (Schlossermeister) – Luitpoldstraße 6, Ägidius Dittmann (Brunnenmeister) – Paradeplatz 11, Georg Sitzmann (Schlossermeister) – Wiesentstraße 1, Wilhelm Moser (Schmiedemeister) – Wiesentstraße 57, Konrad Endres (Schlossermeister) – Torstraße 1, Hans Lang (Schlossermeister) – Dreikirchenstraße 12, Josef Hofmann (Flaschnermeister) – Bamberger Straße 25, Johann B. Mayer (Schlossermeister) – Bamberger Str. 29, Georg Brunner (Schleifermeister) – Hornschuchalle 26, Josef Pohl (Kupferschmiedemeister) – Wiesentstraße 25, Hans Müller (Flaschnermeister) – Hauptstraße 32, Friedrich Rachinger (Werkzeug- und Maschinenfabrik) – Nürnberger Straße 32, Michael Weiß (Schlossermeister) – Bamberger Straße 3, Michael Ochs (Messerschmiedemst.) – Hornschuchallee 23, Johann Ritter (Schmiedemeister) – Bamberger Straße 23, Hermann Kadenbach (Schmiedemeister) – Kanalstraße 8.

Innungs-Obermeister bis 2020: 1920-1924 Konrad Endres (1849-1924), 1924-1934 Hans Lang (1889-1951), 1935-1936 keine Unterlagen vorhanden, 1936-1940 Heinrich Förtsch (1902-1945), 1940-1948 Hans Müller (1872-1960), 1948-1969 Franz Müller (1904-1991), 1969-1990 Egyd Dittmann (1928-2001), 1990-1999 Franz Schuster (geb. 1935), 1999-2020 Werner Oppel (geb. 1952)

Vorstandschaft im Jubiläumsjahr 2020: Werner Oppel, Wolfgang Dotterweich, Stefan Dorn, Wolfgang Fischer, Steffen Oppel, Konrad Sponsel, Stefan Sponsel, Dominik Grau, Benno Dorn, Robert Kolb, Bernd Rackelmann und Horst Meister.

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