100 Teilnehmer bei Mai-Kundgebung auf dem Forchheimer Paradeplatz

2.5.2021, 17:43 Uhr
100 Teilnehmer bei Mai-Kundgebung auf dem Forchheimer Paradeplatz

© Foto: Alexander Hitschfel

Die Gewerkschaften sehen den Sozialstaat in einer tiefen Krise. Bei der diesjährigen Maikundgebung der Gewerkschaften am "Tag der Arbeit" warnten Gewerkschafts- und Kirchenvertreter vor einem "Ausbluten des Sozialstaates". Mit über 100 Teilnehmern war die Maikundgebung am Forchheimer Paradeplatz unter Einhaltung der Corona-Regeln gut besucht.

Als Gastredner standen Landrat Hermann Ulm (CSU) und Oberbürgermeister Uwe Kirschstein (SPD) am Mikrofon. Als Hauptredner war Diplomtheologe Manfred Böhm aus Bamberg zu Gast und beschäftigte sich mit dem Motto "Solidarität ist Zukunft".

Sich beständig für das Gemeinwohl einsetzen

Solidarität sei die feste und beständige Entschlossenheit, sich für das Gemeinwohl einzusetzen, so Böhm. Das Geheimnis der Solidarität sei, dass die weniger Schwachen für die Schwächeren, die weniger Armen für die Ärmeren und die weniger Kranken für die häufiger Kranken einstünden, so der Theologe und Leiter der Arbeitnehmerpastoral Bamberg.

Seit Mitte der 80er Jahre des letzten Jahrhunderts habe der "freie Markt" die Menschen voll im Griff und gebe vor, was gut für die Zukunft der Menschen in Deutschland sei, so Böhm. "Zurückfahren der Staatsausgaben und damit des Sozialstaates" sieht er: Hartz IV spiele dabei die zentrale Rolle in der Beschämung und Demütigung der Menschen in den unteren Schichten.

Selbst vor der Teilprivatisierung unserer Altersversorgung sei man nicht zurückgeschreckt. Lockerung des Arbeitsschutzes, Auflösung der Tarifpartnerschaft, Niedriglöhne gebe es. Und obendrein: Steuererleichterungen für die Großen dieser Welt, was die Spaltung der Gesellschaft noch zusätzlich befördere.

"Soziale Kluft ist tief geworden"

Der Sozialstaat sei durch die Propheten des Neoliberalismus systematisch in die Krise hineinmanövriert worden mit dem naiven Argument "mehr freier Markt" täte allen Menschen gut, auch denen am unteren Ende.

Die soziale Kluft sei inzwischen so tief geworden, dass man sich ganz oben und ganz unten gegenseitig gar nicht mehr richtig wahrnehme, so Böhm. Die Corona-Pandemie hätte das Problem noch verschärft, so stehe es im sechsten Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung.

Neubewertung von Arbeit

Bis Ende August 2020 mussten bereits 15,5 Millionen Haushalte in Deutschland mit weniger Einkommen zurechtkommen, besonders Gering- und Normalverdiener. Die Aufstiegschancen stünden schlecht. Wer hingegen zu den zehn Prozent der oberen Einkommen gehöre, der bleibe da auch im Normalfall, fügte er hinzu.

Wichtig sei die "Neubewertung von Arbeit". So habe zum Beispiel die Corona-Pandemie die Fehlentwicklungen im Gesundheitswesen gnadenlos sichtbar gemacht. Man habe die Krankenhäuser in den letzten Jahren auf Effizienz getrimmt. Wo stehe aber geschrieben, dass im Gesundheitswesen Gewinne gemacht werden müssten? Man brauche keine marktkonformen Krankenhäuser, sondern patientengerechte.

Mindestlohn von 14,09 Euro

Man brauche dringend einen Mindestlohn von 14,09 Euro, was von der KAB auch gefordert werde. Dass Menschen womöglich ihr Leben lang arbeiten und dennoch im Alter nicht "über die Runden" kommen, sei eine der "beschämendsten Respektlosigkeiten gegenüber arbeitenden Menschen". Man müsse dringend die Einnahmenseite des Sozialstaates anheben, indem man Wohlhabende an der Finanzierung beteilige, so Böhm. Er nannte die Wiedereinführung einer allgemeinen Vermögenssteuer, alternativ die Abgabe einer einmaligen Vermögensabgabe und die Finanztransaktionssteuer. "Lassen Sie uns gemeinsam die Arbeit der Zukunft gestalten", so Böhm.

Lisa Badum, Bundestagsabgeordnete der Grünen, teilt per Pressemitteilung mit: "Wir Grüne stehen an der Seite der Gewerkschaften, für mehr Mitbestimmung, gerade in der sozial-ökologischen Transformation." Im Bundestag setze sie sich für ein Qualifizierungs-Kurzarbeitergeld ein, für Mittel für die Region Bamberg und Unterstützung für die regionale Transformation in der Autozuliefererindustrie. Das Ziel müssten faire und zukunftsfähige Arbeitsplätze in den nächsten Jahrzehnten sein. "Unser größtes Kapital dafür sind die Menschen und ihr Know-How in unserer Region."

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