Abschiebung von ukrainischer Familie aus Forchheim: Flüchtlingsrat eingeschaltet

7.10.2020, 09:00 Uhr
Abschiebung von ukrainischer Familie aus Forchheim: Flüchtlingsrat eingeschaltet

© Jana Schneeberg

 Zehn Tage ist es her, dass die Familie Beskishkin, die sechs Jahre in Forchheim lebte, in ihr Heimatland Ukraine abgeschoben wurde. Flüchtlingshelfer Rainer Hofmann will dennoch weiter dafür kämpfen, dass der Fall der Familie noch einmal geprüft wird. Genauso wie der eines weiteren Ukrainers, der in Forchheim lebte und am Mittwoch vergangener Woche abgeschoben wurde. Nun hat sich auch der Bayerische Flüchtlingsrat der Fälle angenommen.

Dabei erscheint Rainer Hofmann der Fall des 61 Jahre alten Ukrainers Alikhan Avdalov, der um 3 Uhr morgens aus einer Forchheimer Flüchtlingsunterkunft abgeholt wurde, ähnlich fragwürdig wie der der Familie Beskishkin. "Herr Avdalov hat in der Ukraine keine Verwandten mehr. Seine Frau absolviert eine Ausbildung in Forchheim, sein Sohn macht ebenfalls eine Ausbildung in Forchheim", erklärt er. Auch seine Tochter lebe und arbeite legal in Deutschland.

Der Mann leide außerdem unter mehreren Krankheiten, darunter einer Depression. "Durch die Abschiebung und die verzweifelte Situation, total allein, getrennt von Ehefrau und Kindern, wurde diese dramatisch verstärkt", erklärt Hofmann. Seine Meinung: "Juristisch mag die Abschiebung ja wohl rechtens sein. Moralisch und ethisch ist sie dies aber in keinster Weise."


Menschlich schwer verständlich: Ein Kommentar von Jana Schneeberg


In beiden Fällen hat der Forchheimer Flüchtlingshelfer eine Petition an den Landtag gerichtet. Wären die Petitionen noch vor "Vollzug von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen" im Ausschuss für Eingaben und Beschwerden beraten worden, hätte das zunächst zumindest einen Aufschub bedeutet.

In beiden Fällen kam die Petition jedoch zu spät, um den Abflug der Betroffenen zu verhindern. Dennoch will Hofmann die Petitionen aufrecht erhalten. In beiden Fällen soll dabei die Asylgeschichte der Betroffenen in öffentlicher Sitzung des Petitionsausschusses noch einmal aufgerollt werden. Neben der behördlichen Darstellung will der Forchheimer Flüchtlingshelfer mit Hilfe von Freunden und Bekannten die Perspektive der Betroffenen schildern.

Im Fall der Familie Beskishkin ist für ihn zentral, dass beide Elternteile zu einer freiwilligen Ausreise bereit gewesen seien. Ihr Ziel sei gewesen, hier eine Ausbildung zu beginnen. Victoriya Beskishkina hatte dafür bereits einen Ausbildungsvertrag als Altenpflegerin vorliegen.

Abgesehen davon sei für ihn auch fraglich, warum der Fall der Familie nicht für den § 25 b des Aufenthaltsgesetzes in Frage gekommen war. Dort heißt es sinngemäß, dass geduldete Ausländer, die in einem Haushalt mit minderjährigen Kindern leben, eine Aufenthaltserlaubnis bekommen, wenn sie seit mindestens sechs Jahren ununterbrochen geduldet, gestattet oder mit einer Aufenthaltserlaubnis in Deutschland leben und als gut integriert gelten.

Die Regierung von Oberfranken erklärt dazu auf Anfrage: "Bereits bevor die Familie einen sechsjährigen Aufenthalt in Deutschland erreicht hatte, lag kein Duldungsgrund mehr vor. Eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 b AufenthG wurde auch nie beantragt."

"Antrag nicht gestellt"

Das sieht der Bayerische Flüchtlingsrat, der sich inzwischen in beide Fälle eingeschaltet hat, anders. Im Schriftverkehr mit der Regierung von Oberfranken, der den NN vorliegt, prangert der Flüchtlingsrat an: "Die ZAB (Zentrale Ausländerbehörde, Anm. d. Red.) hatte auch offensichtlich eine Aufenthaltsperspektive nach § 25 b AufenthG vor Augen, scheint diese aber den Betroffenen nicht eröffnet und erörtert zu haben, sondern ,wirft‘ es der Familie ,zur Last‘, den Antrag nicht gestellt zu haben."

Auch diese Fragen sollen im Petitionsausschuss noch einmal aufgearbeitet werden. Doch kann es bis zum Termin noch einige Wochen dauern.

Die Familie Beskishkin lebt unterdessen nun erst einmal bei Freunden in Kiew. "Sie wohnen nun zu neunt in einer Zwei-Zimmer-Wohnung", erklärt eine Bekannte. Solange die Eltern keine Arbeit haben, können sie keine eigene Wohnung mieten. Dazu komme, dass sie für ihre beiden Töchter erst einmal ukrainische Pässe beantragen müssen, damit sie vor Ort in Schule oder Kita können.

Für die Ehefrau des 61-Jährigen Alikhan Avdalov sei die Situation zusätzlich mit einem "Gewissenskonflikt" verbunden, erklärt Rainer Hofmann. Sie hat eine Ausbildungsduldung und darf bleiben. "Aber ihr Mann ist nun ganz allein in der Ukraine", so der Flüchtlingshelfer. Eine verzweifelte Lage.