Exzesse am Fünf-Seidla-Steig: Muss mehr Polizei ran?

12.10.2020, 15:25 Uhr
Exzesse am Fünf-Seidla-Steig: Muss mehr Polizei ran?

Manche sind durch den Alkohol bereits so enthemmt, dass sie versuchen den Funkmasten hochzuklettern. Werden sie von Anwohnern oder anderen Wanderern gerügt, ist das nackte Hinterteil die Antwort. Vor allem am Samstagnachmittag sind die Anwohner am Marktplatz dem ausartendem Verhalten einiger Betrunkener ausgesetzt.

Müll und Wildpinkler

Ein Blick aus dem Fenster zeigt, wie eine Gruppe junger Männer in Reihe stehend den Ritter-Wirnt-Brunnen bepinkeln. Andere aus der Gruppe finden es lustig, mit einem Stock herumfuhrwerkend, den Urinierenden bei ihrem Geschäft zu stören. Das unschöne Schauspiel wird durch lautes Gegröhle befeuert.

Nicht nur dort treiben einige wenige Wanderer ihre Bierlaune auf die Spitze. Auch bei der Grotte, dem Gasthaus am oberen Ende der Bahnhofstraße, hallen gellende Laute durch die Altstadt. Zum Leidwesen der Anwohner, die wenig begeistert vom Bierwanderweg sind.

Leere Flaschen, Müll und Wildpinkler sind auch Stadtrat Heiko Kracker (GBL) sehr vertraut. Er wohnt wie einige andere Stadträte direkt am Fünf-Seidla-Steig und Kracker erlebt wie viele andere Bürger bereits am Samstagmorgen mit dem Aufziehen der Rollos Halligalli und Konfetti. Dass die Mehrzahl der Wanderer sehr vernünftig ist, ändert wenig an der Problematik, verursacht durch wenige schwarze Schafe. "Die wird es leider geben, solange diese Attraktion besteht. Leider scheint es durch die derzeitige Corona-Situation einen weiteren Boom auf dem Fünf-Seidla-Steig zu geben, und es sind deutlich mehr Wanderer unterwegs, als die Gaststätten aufnehmen dürfen", sagt Kracker.

Auswüchse eindämmen

 Nicht nur wegen Corona, auch die Brauereien versuchen längst, diese Auswüchse einzudämmen, indem sie bereits angetrunkene Wanderer wegschicken. "Die Brauereien sind ethisch sauber. Sie haben alles Mögliche gemacht, dass der Weg auch das Ambiente hat wie die Gaststätten. Alles ist gepflegt, was geboten ist", betont Regine Bleckmann, die Geschäftsführerin des Tourismusvereins Südliche Fränkische Schweiz.

Doch kaputt machten das Angebot die wenigen Leute, die bereits betrunken am Bahnhof ankommen oder nicht mehr mit Bier bedient werden und deshalb mit ihrem Bollerwagen an den Marktplatz, zum Denkmal oder auf die Felder ziehen. Vor allem sorgt sich Bleckmann um die Kinder und Jugendlichen, die an den Nachmittagen ebenfalls am Marktplatz sind und diese betrunkenen, pöbelnden Wanderer sehen. "Was ist das für ein Vorbild", fragt Bleckmann.

Der SPD-Ortsverein hatte nach den jüngsten Auswüchsen den Fünf-Seidla-Steig auf der Tagesordnung ihrer Mitgliederversammlung. Einzig Polizeipräsenz am Weg würde das Problem eindämmen. "Wir brauchen die Polizei nicht nur bei Demos in Berlin. Wer am Marktplatz betrunken pöbelt, gehört in die Ausnüchterungszelle. Hier hilft nur Polizeipräsenz", betont Bleckmann. Diese Polizeipräsenz fange im Zug an – und hier helfe nur Druck durch die Politik.

Denn auch Heiko Kracker weiß, dass ein Verbot von "Bier2go" das Problem nicht wirklich lösen würde. "Das würde niemand daran hindern, wie bisher auch schon, mit vollem Rucksack anzureisen und die Sau rauszulassen", sagt Kracker. Die gute Bahnanbindung sei Fluch und Segen zugleich, findet Max, der am Bierwanderweg wohnt, und den Fünf-Seidla-Steig mit dem Bierwanderweg bei Aufseß vergleicht. Dort ist er mit Freunden bereits gewandert und solche Auswüchse scheinen nicht bekannt zu sein. Der Grund: "Man muss mit dem Auto kommen und mit dem Auto wieder nach Hause fahren", meint Max.

Keinen Schnaps mehr

Bereits vor zwei Wochen hat Gräfenbergs Bürgermeister Ralf Kunzmann auch mit den Brauereien gesprochen. Der Vorschlag war unter anderem, keinen Schnaps mehr auszugeben, der in Kombination mit Bier wenig empfehlenswert sei. "Auch ein Alkoholverbot auf öffentlichen Plätzen wie in Nürnberg wurde diskutiert. Wir haben das vor zwei Wochen zur rechtlichen Prüfung gegeben", informiert Kunzmann. Das Ergebnis dauere noch.

Auch ein Sicherheitsdienst mit hoheitlichen Aufgaben war im Gespräch und wird gerade geprüft. Wenn dies rechtlich möglich wäre, müsste noch die Finanzierung geklärt werden, so Kunzmann. Doch beide Themen müssten dann ohnehin zur Diskussion und Abstimmung im Stadtrat behandelt werden.

Streetworker einsetzen?

Matthias Striebich, der ebenfalls am Wanderweg wohnt, schlug deshalb vor, Streetworker entlang des Weges einzusetzen. Trotzdem: "Man weiß nicht, ob es Leute vom Fünf-Seidla-Steig sind", sagt Bürgermeister Kunzmann. Genau diese Beobachtung haben auch Lars Laufer (CSU) und Regine Bleckmann gemacht. "Als vor Corona das Stadtcafè am Wochenende bis fünf Uhr früh geöffnet hatte, war am Marktplatz auch Geschrei und Halli Galli", erinnert sich Laufer.

Regine Bleckmann kennt ein Video, auf denen einheimische Jugendliche nach dem Besuch einer Fußball-Skybar ebenfalls lärmend nach Hause gelaufen seien. "Wir müssen wieder auf Werte achten und diese in der Erziehung vermitteln", sagt Bleckmann. Dem stimmt Lars Laufer, der auch am Bierweg wohnt, zu. "Die Auswüchse nicht nur am Fünf-Seidla Steig sind ein gesellschaftliches Problem", meinen Bleckmann und Laufer. Ist der Bierwanderweg daher ein Spiegel der Gesellschaft?

 

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