Forscherin aus Forchheim weist Plastik in Nahrung nach

2.2.2020, 05:57 Uhr
Mikroplastik in Kosmetik: Auch in unserer Nahrung lassen sich die kleinen Partikel nachweisen. Das hat Forscherin Sabine Christiansen herausgefunden.

© Stefan Sauer/dpa Mikroplastik in Kosmetik: Auch in unserer Nahrung lassen sich die kleinen Partikel nachweisen. Das hat Forscherin Sabine Christiansen herausgefunden.

Vor einigen dutzenden Zuhörern des Fördervereins Klinikum Forchheim-Fränkische Schweiz sollte es um "Mikroplastik und Nanopartikel im menschlichen Gewebe" gehen. Doch Professorin Silke Christiansen vom Innovations-Institut für Nanotechnologie und korrelative Mikroskopie (INAM) berichtete erst einmal davon, wie es sie vor drei Jahren nach Forchheim verschlagen hatte und was sie hier auf 350 Quadratmetern erforscht.

Silke Christiansen und OB Uwe Kirschstein.

Silke Christiansen und OB Uwe Kirschstein. © Udo Güldner

Es dauerte fast eine Stunde, bis die Physik-Professorin auf Mikroplastik und Nanopartikel im menschlichen Gewebe zu sprechen kam. Sie erzählte von Studien aus China, in denen bislang unerklärliche Nierenerkrankungen untersucht würden. Dort habe man Feinstaub als möglichen Verursacher im Visier.

In Deutschland könne man aus ethischen Gründen keine solchen Experimente machen. Denn nur mit entsprechend vielen Versuchspersonen mit Kontrollgruppen lässt sich eine statistisch eindeutige Aussage treffen. Auch wenn derzeit an der Universitätsklinik Erlangen im Bereich Nephrologie 3000 Patienten unter Beobachtung stünden, deren Nieren man mit einer Entnahme von Gewebe immer wieder kontrolliere. "Eine Handvoll Biopsien reicht eben nicht."

Tierversuche in Schweden

Zuvor hat die Werkstoff-Wissenschaftlerin, die in Berlin geboren ist und in Erlangen studiert hat, von Tierversuchen im schwedischen Lund berichtet, in denen Fischen Partikel in einer Größe zwischen 50 und 180 Nanometer gefüttert worden waren.

Die Teilchen, die in den Weltmeeren treiben und sonst über die Algen und das Plankton aufgenommen werden, hatten es bis ins Gehirn der schwimmenden Lebewesen geschafft. Obwohl eine körpereigene "Blut-Hirn-Schranke" eigentlich Giftstoffe davon abhalten sollte. Mit einem Helium-Ionen-Mikroskop, das im Gewebe kaum Schaden anrichtet, konnte der Nachweis geführt werden.

Die Folgen für das Meerestier, das als "Gehirn-Plastik-Fisch" in die wissenschaftliche Literatur eingegangen ist: Er wurde träger, fraß schlechter und bekam Orientierungsprobleme. Was möglicherweise auch an den chemischen Zusätzen liegen könnte, mit dem der Kunststoff seine Eigenschaften wie Biegsamkeit erhält.

Probleme bei der Fortpflanzung

Zu ähnlichen Ergebnissen kamen Forscher aus Arizona und Atlanta, die Wasserflöhen Titandioxid gaben, das in Sonnencremes verwendet wird. Der kleine Krebs, der zum Zooplankton gezählt wird, hielt das künstliche Pigment für Nahrung und reicherte es im Darm an. Ging das längere Zeit so, stellten sich Probleme bei der Fortpflanzung und bei der Nahrungsaufnahme ein.

Als sie einmal den Inhalt einer Sardinenbüchse "mit bewaffnetem Auge" betrachtet hätte, habe sie darin Mikroplastik gefunden. Die durch mechanische Einflüsse, Hitze und UV-Licht immer weiter zerfallenden Plastikverpackungen seien inzwischen in der Nahrungskette nachweisbar. Nur der letzte Nachweis beim Menschen fehle.

Schnee aus der Arktis ist verseucht

Derzeit läuft in der kanadischen Millionenstadt Toronto ein unfreiwilliger Großversuch. Dort hat man im Trinkwasser, das aus dem Lake Ontario gewonnen wird, Mikroplastik gefunden.

In der Außenstelle des Fraunhofer-Institutes in Leipzig untersucht man derzeit Schnee, den das Alfred-Wegener-Institut in der Arktis gesammelt hat und den Familie Christiansen aus Helgoland mitgebracht hat. Der Hintergrund: Weder am Nordpol noch auf der Nordseeinsel gibt es Autos.

Dennoch hat man Mikroplastik selbst auf treibenden Eisschollen nachgewiesen, der wohl aus Reifenabrieb, aus Dichtungsschläuchen oder von Farbanstrichen stammt und über die Atmosphäre bis in den hohen Norden transportiert wurde. Das nährt den Verdacht, dass Mikroplastik nicht nur über das Essen, sondern auch über die Atmung in den Körper gelangen könnte.

Silke Christiansen möchte nun mit ihren millionenteuren Apparaten noch genauer nachmessen, um all die Teilchen zu finden, die bislang durch das Raster gefallen sind. "Man kann da spannende Sachen machen."

Nur vom Draufschauen weiß die Expertin dann, welche Art von Feinstaub sie vor sich hat. Das gelingt mittels eines sogenannten Nano-GPS, bei dem die winzigen Partikel, die ein Tausendstel des Durchmessers eines Haares haben, anhand eines aufgeklebten Koordinatensystems immer wiedergefunden werden können. Was man für Computerbauteilen erfunden habe, lasse sich auch bei der Bestimmung von Kunststoffsorten einsetzen. Eine Stipendiatin aus Südafrika und Erasmus-Studenten aus Tschechien unterstützen künftig Professorin Christiansen.

Keine Kommentare