Kunst der Klarinette

9.4.2012, 17:15 Uhr
Kunst der Klarinette

© Udo Güldner

Bescheiden sitzt Angela Grau im Hintergrund. Am Flügel begleitet sie „drei Bayern und einen Usbeken“. Vier junge Musiker, alle Studenten des Münchener Musikprofessors Ulf Rodenhäuser, gastieren nach einem einwöchigen intensiven Meisterkurs im Haus Marteau (Lichtenberg, Landkreis Hof) mit einem Konzert. Über alle Stil- und Epochengrenzen hinweg ist die Pianistin verlässliche Lotsin und auf Grund ihrer technischen Fähigkeiten und ihres Verständnisses der Star des Abends. In manchen der Kammermusiken ist sie mehr als nur Untermalerin. Sie ist gleichwertige Partnerin der Solisten, nur dass sie keinen Extra-Applaus bekommt. Eingerahmt von zwei Quartettstücken, des selten aufgeführten finnischen Beethoven-Zeitgenossen Bernhard Hendrik Crusell und des zeitgenössischen Wiener Komponisten Alfred Uhl zeigen die Studenten ihr solistisches Vermögen. Auf hohem Niveau und einer Meisterklasse würdig.

Einen musikalischen Schlussstrich unter sein Leben hat Johannes Brahms mit seiner Es-Dur-Sonate gezogen. Das volksliedhafte, doch keineswegs triviale Spätwerk nimmt Albert Galimzanov (28) so packend, so innig, so völlig außer sich, und doch ganz bei sich, dass gerade sein Auftritt eine präzise Leichtigkeit und eine Reife des Ausdrucks atmet, die man einem jungen Musiker so nicht zugetraut hätte. Seine Gestaltung eines schwer zu beschreibenden Gefühls, ist es Melancholie, ist es Sentimentalität, oder etwas ähnliches, das die drei Sätze durchweht, ist anrührend und anregend zugleich. Eine unverwechselbare Bild- und Tonsprache, die aus den Brahmsschen Sinfonien geläufig ist.

Glänzende Oberfläche

Robert Schumanns „Fantasiestücke“, eigentlich für Klavier gedacht, interpretiert Alexandra Obermeier (19) mit der dem romantischen Bravourstück eigenen technischen Virtuosität. Zwar ist sie allen Finessen der Partitur gewachsen, und es sind nicht wenige, doch bleibt ihr Zugang zu gezügelt, nicht temperamentvoll genug, vielleicht auch zu sehr der glänzenden Oberfläche verhaftet. Wo doch das Geheimnisvolle, das Tiefgründige und Unerhörte hinter der tonalen Fassade die eigentliche Herausforderung gewesen wäre. Gerade das Verletzliche, das Liedhafte, das Empfindsame des Brahms-Freundes und Förderers kommt leider zu kurz. Zuerst denkt man, da werde Hindemith gespielt, doch dann mischen sich Takte ein, die an Copland erinnern. Der eine sein Lehrer, der andere sein Schüler.

Leonard Bernsteins Klarinetten-Sonate spielt Klara Lindner (21) mit der nötigen Herbe und verblüffend unangestrengt. Ein kontrastreiches Kleinod voller schelmischer Eskapaden, rhythmischer Fetzigkeit und einer dissonanten Klangschönheit. Wer genau hinhört, hört auch, wie sich Bernsteins Erfolgsmusical „West Side Story“ ankündigt.

Aaron Coplands „Concerto für Benny Goodman“ widmet sich Markus Hofberger (22) mit bittersüßer Ironie und großer lyrischer Präsenz. Der wilden Mischung aus klassischen und Jazz-Elementen weiß der junge Musiker eine wunderbare swingende Sperrigkeit abzugewinnen. Und sich ganz der hohen Kunst der hohen Töne anzunehmen, die dem Klarinetten-Star Benny Goodman, der im Übrigen kein sonderlich überzeugender Virtuose gewesen ist, oftmals Schwierigkeiten bereitet haben. Nicht jedoch Markus Hofberger, der das in mehrfacher Hinsicht verzwickte Stück meisterhaft zu intonieren weiß, und dabei nicht nur genau weiß, wie er etwas spielt, sondern auch, warum er das tut.

Auch wenn sich die vier Nachwuchsmusiker nicht verspielen, eine unbändige Verspieltheit ist ihnen zu eigen. Schade nur, dass die Meisterschüler zu keiner Zugabe für das zahlreiche Publikum bereit waren. Obwohl die Klarinetten schon über zwei Stunden zu hören gewesen waren, hätte man sich doch über ruhig dahingleitende oder dramatisch eskalierende Passagen gefreut. Von einigen werden wir aber doch noch hören.

Keine Kommentare