Von der Ruine zur Synagoge: Schätze in Ermreuth, die es zu schützen gilt

23.7.2019, 17:32 Uhr
Von der Ruine zur Synagoge: Schätze in Ermreuth, die es zu schützen gilt

© Foto: Udo Güldner

Nun gibt es nach Jahren der Vorbereitung ein neues Konzept, um die zahlreichen Schätze zu präsentieren. Die NN haben einen Blick ins Innere geworfen und sich erklären lassen, was zu sehen sein wird.

Noch sind nicht alle Vitrinen bestückt. Einige Textilien und Buchfragmente sind noch bei der Restaurierung. Doch das neue Ausstellungskonzept wird bereits sichtbar. "Wir zeigen in Ermreuth Gegenstände, die von hier stammen und etwas über den Ort erzählen", sagt Rajaa Nadler. Wo die Juden gelebt haben, und wovon sie gelebt haben, davon erzählen sie.

Seltene Gegenstände

Oben auf der Galerie, von der man in das Gotteshaus hinabblickt, kann man sich über die jüdische Geschichte Ermreuths und grundlegende religiöse Fragen informieren. Wo einst die jüdischen Frauen ihren Platz hatten, warten nun auch sehr seltene Objekte darauf, bestaunt zu werden. Gebetsmäntelchen (Tallits) für Babys etwa und ein großer Gebetsumhang, der von ausgewanderten Vorfahren nach Amerika mitgenommen worden und nun zurück in die alte Heimat gelangt ist.

Von der Ruine zur Synagoge: Schätze in Ermreuth, die es zu schützen gilt

Erstmals kann man auch einige Tefillin-Beutel aus dem 17. Jahrhundert betrachten, in denen Gebetsriemen aufbewahrt wurden. Aufgestickt sind ein R für den Kopf (rosch) und ein Y für die Hand (Yad), um zu definieren, was darin aufzubewahren ist. Die 25 Fenster, die das 14 Meter hohe Synagogengebäude erleuchten, hat Rajaa Nadler mit einer Spezialfolie bekleben lassen, um das schädliche UV-Licht nicht herein zu lassen. "Wir haben hier unersetzliche Schätze, die wir schützen müssen." So zeigt sich der Hammer eines Schuhmachers, der auf die handwerkliche Tradition verweist, in neuem Licht. Es gab eben nicht nur Vieh- und Hopfenhändler und Hausierer, die übers Land zogen, sondern auch mehrere jüdische Metzger, Bauern und Handwerker befanden sich im Ort.

Eigentlich sollte die neue Ausstellung bereits vor einem Jahr zugänglich gewesen sein. "Die ersten Überlegungen gab es schon vor sechs Jahren." Doch die Finanzierung bereitete dem Zweckverband Synagoge Ermreuth Kopfzerbrechen.

Von der Ruine zur Synagoge: Schätze in Ermreuth, die es zu schützen gilt

© Foto: Udo Güldner

Immerhin geht es um rund 180 000 Euro, die für die Marktgemeinde und den Landkreis Forchheim alleine nicht zu schultern gewesen wären. Der Retter kam in Gestalt Toni Eckerts. Der Landkreis-Kulturbeauftragte schaffte es, 108 000 Euro an EU-Mitteln an Land zu ziehen. Neben dieser Summe aus dem Leader-Topf kamen 32 000 Euro von der Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen, sowie 15 000 Euro vom Freundeskreis der Synagoge und 1500 Euro von der Zukunftsstiftung der Sparkasse Forchheim.

"Den Rest von knapp 23 000 Euro kann der Zweckverband schultern," so Erster Bürgermeister Heinz Richter. Er freut sich, "dass dieses Kleinod weithin wahrgenommen wird" und hofft auf noch mehr als die 2500 bis 3000 Besucher, die jedes Jahr in den größten Ortsteil Neunkirchens kommen. Die Objekte, die Rajaa Nadler mit großer Vorsicht auf dem Konzertflügel vor der Thora-Nische ausbreitet, sind Funde aus der Genisa vom Dachboden der Synagoge. Das ist eine Art "Bücher-Friedhof" unter dem Dach. Denn keine Schrift, in der Gottes Name zu finden ist, darf einfach so weggeworfen werden. Freilich sind die ausrangierten Handschriften und Drucke in keinem besonders guten Zustand.

Schutz vor dem Bösen

"Wir haben den ältesten Ehevertrag in der ganzen Region," so die Islamwissenschaftlerin Nadler, die sich seit 1990 um das Gebäude und dessen Belebung kümmert. Einige Exponate haben nach Jahrzehnten in Familienbesitz den Weg zurück in die geheiligten Räume gefunden. Wie die Wärmflasche der Schwarzhaupts, die Tischuhr der Wassermanns oder die Mesusa-Dose der Goldners. Darin wurden kleine Schriftrollen aufbewahrt, um sie am Türpfosten anzubringen. "Damit wollte man das Haus und seine Bewohner vor dem Bösen schützen."

Die Juden waren im 19. Jahrhundert für Ermreuth so bedeutend, dass sie 1874 zu den Mitbegründern und Vorständen der Freiwilligen Feuerwehr gehörten. "Auch das ist unsere Aufgabe: Zu zeigen, dass es mehr Verbindendes als Trennendes zwischen Christen und Juden gab – und gibt," so Rajaa Nadler, die selbst Christin aus Syrien ist. An ein Grablicht erinnert das Seelenlicht (Ner Neschama), das im Trauerhaus angezündet wird und dort für die verstorbenen Eltern ein ganzes Jahr brennt und an sie erinnert.

Wer an den Vitrinen vorbeischlendert, bekommt einen tiefen Einblick in Ermreuths Rolle als Zentrum jüdischen Lebens im fränkischen Raum, auch wenn der Distriktsrabbiner in Hagenbach seinen Sitz hatte. Hier gab es nicht nur die repräsentative Synagoge klassizistischen Zuschnitts (1822), sondern auch einen altehrwürdigen Friedhof. Ein Schwarz-Weiß-Foto zeigt die heute nicht mehr existente Ummauerung, die seit 1711 die Lebenden von den Toten trennte.

Zeitweise lebten hier mit 43 Familien so viele Juden, dass sich sogar eine eigene Elementarschule lohnte. Eine Art Grundschule, in der Lesen, Schreiben und Rechnen, und nicht nur jüdische Religion gelehrt wurden. Auf einer großen Karte ist zu sehen, dass die jüdischen Familien nicht in einem eigenen Viertel oder Ghetto wohnten, sondern über die ganze Gemeinde verteilt waren. Für kleine Besucher wird es das Heft mit dem Titel "Dein Besuch in der Synagoge Ermreuth" geben, das im Rahmen der Reihe "FOrschen und Entdecken im Landkreis Forchheim" entstand.

Die letzte Station

In der chronologisch angeordneten Galerie sind die Ausweise der Juden Ermreuths, die dem Holocaust zum Opfer fielen, die letzte Station. In ihnen prangt das eingestempelte "J". Ein antisemitisches Kinderbuch, bezeichnenderweise als "Der Giftpilz" bekannt, macht schon den Kleinen klar, dass die "Judenfrage" gelöst werden muss. Daneben kann man sich Zeitzeugenberichte anhören, die vom Leben, Überleben und Vertreibung künden. Die jüdische Gemeinde mag ausgelöscht sein. Die Synagoge als Ort der Begegnung und der Kultur aber lebt.

Die Synagoge Ermreuth (Wagnergasse 8) ist wieder am 4. August von 14 bis 17 Uhr für Besucher geöffnet. Sonstige Öffnungszeiten (April bis Oktober): jeweils am dritten Sonntag im Monat, 14 bis 17 Uhr. Führung jeweils am ersten Sonntag im Monat, 15 Uhr, sowie nach Vereinbarung. Feierliche Eröffnung der Dauerausstellung am Sonntag, 28. Juli, ab 15 Uhr.

Keine Kommentare