Vor 60 Jahren ereignete sich das schwerste Flugzeugunglück Nordbayerns

28.3.2021, 09:44 Uhr
Feuerwehrleuten aus Weißenohe, Dorfhaus und Rüsselbach gelang es, gemeinsam mit der Berufsfeuerwehr Nürnberg, die brennenden Reste des Flugzeugwracks zu löschen. Für die Passagiere kam jede Hilfe zu spät. 

© VNP / Hans Kammler Feuerwehrleuten aus Weißenohe, Dorfhaus und Rüsselbach gelang es, gemeinsam mit der Berufsfeuerwehr Nürnberg, die brennenden Reste des Flugzeugwracks zu löschen. Für die Passagiere kam jede Hilfe zu spät. 

Nach 60 Jahren blicken wir mit Hilfe des Experten Miroslav Khol jr. vom Luftfahrt-Museum auf dem Militärflugplatz Prag-Kbely zurück auf diese Katastrophe. Und wir lassen auch die Zeitzeugen zu Wort kommen.

Das Flugzeug

Die Iljushin 18W war eine viermotorige Turbo-Propeller-Maschine, die aus sowjetischer Produktion stammte. Sie stand seit Mai 1960 in Diensten der staatlichen Fluglinie Československé Aerolinie (ČSA) und bot bis zu 100 Passagieren Platz. Mit 650 Stundenkilometern und in rund 6000 Metern Höhe ging es dem Ziel entgegen. Dieser Flugzeugtyp wurde ursprünglich für die sowjetische Fluglinie Aeroflot konstruiert, später aber auch in verbündete Staaten wie Mali oder die DDR exportiert. 

Die Flugroute

Am 28. März 1961, um 19.41 Uhr, war die Maschine CSA 511 vom Internationalen Flughafen Prag-Ruzeny gestartet, der heute den Namen des früheren Staatspräsidenten Vaclav Havel trägt. Sie hätte ihr nächstes Ziel Zürich-Kloten planmäßig um 20.43 Uhr erreichen sollen. Danach wäre es entlang der westafrikanischen Küste über Rabat (Marokko), Dakar (Senegal) und Conarky (Guinea) bis nach Bamako (Mali) gegangen. Doch um 20.08 Uhr endete die Dienstreise unweit von Oberrüsselbach.

Der Absturz

Einige Augenzeugen berichteten von einer brennenden Maschine, die in der Luft von einer Explosion erschüttert worden sein soll. Dann schmierte die Iljushin ab. Ein Rettungsversuch des 33-jährigen Kapitäns Fransiek David scheiterte. Beim Aufprall überschlug sich das Flugzeug und blieb auf dem Rücken liegen. Das auslaufende Kerosin entzündete sich und schuf ein Flammenmeer. Die Trümmer lagen im weiten Umkreis. Die linke Tragfläche tauchte bei Oberwindsberg (Gemeinde Simmelsdorf) auf. Der Hauptteil des Wracks sammelte sich auf einer Fläche von mehr als 1500 Quadratmetern. Die tonnenschweren Triebwerke mit ihren Propellern hatten sich tief ins Erdreich gebohrt.

Schaulustige drängten sich um den Ort des Unglücks, den die Landespolizei mit Seilen abgesperrt hatte. 

Schaulustige drängten sich um den Ort des Unglücks, den die Landespolizei mit Seilen abgesperrt hatte.  © NN / Hans Kammler

Die Maßnahmen und die Toten

Es dauerte nicht lange, bis die Rotkreuz-Helfer aus Gräfenberg, Hiltpoltstein und Schnaittach vor Ort waren. Sie hatten zufälligerweise gerade mit einer Nachtübung begonnen. Freilich konnten auch sie niemanden mehr retten. Schließlich gelang es den Feuerwehren aus Weißenohe, Dorfhaus und Rüsselbach, gemeinsam mit der Berufsfeuerwehr aus Nürnberg, die brennenden Reste zu löschen. Fünf Tage lang sicherten 15 ehrenamtliche Helfer des THW Forchheim von früh bis spät die Unglücksstelle, bauten Zelte und Stromversorgung auf und bargen die stark verstümmelten Leichname.

Das schwerste Luftfahrtunglück Nordbayerns kostete nach offiziellen Angaben 52 Menschen das Leben. An Bord befanden sich 44 Passagiere und acht tschechoslowakische Besatzungsmitglieder, davon vier im Cockpit (Pilot, Co-Pilot, Funker, Navigator) und vier in der Flugbegleitung (Stewardessen und ein Koch). Die Passagiere stammten aus der Sowjetunion (22), der CSSR (12), Bulgarien (9) und der „Sowjetzone“ (1), wie man die DDR im Westen damals noch nannte. Es waren Militärs, Wirtschaftsfachleute und Diplomaten, die sich zum Teil mit ihren Familien auf dem Weg nach Westafrika befanden. Zwischen den Staaten des Warschauer Paktes, insbesondere den Regierungen in Moskau und Prag, und dem gerade erst aus französischer Kolonialknechtschaft entlassenen Mali gab es eine intensive wirtschaftliche und militärische Zusammenarbeit. Die „Berater“ sollten für eine engere Anbindung Malis an den „Ostblock“ sorgen.

Die Untersuchungen

Es dauerte mehrere Tage bis der Leiter der Erlanger Rechtsmedizin, Prof. Dr. Emil Weinig, und sein Ärztestab vom Universitätsklinikum die Leichenreste mittels aufwändiger Röntgentechnik identifiziert hatten. Unter den Opfern waren nicht nur 38 Männer, sondern auch zehn Frauen und vier Kinder. Ihre sterblichen Überreste wurden in ihre Heimatländer überführt. An sie erinnert eine Gedenktafel mit der Inschrift: „Hier fanden am 28. März 1961 bei einem Flugzeugunglück 52 Menschen den Tod.“

Die Ursache

Die Absturzursache sollte eine internationale Kommission klären. Federführend waren Fachleute der Fluguntersuchungsstelle des Luftfahrtbundesamtes aus Braunschweig. Hinzu kamen Experten aus der Tschechoslowakei und der Sowjetunion. Allerdings kann bis heute niemand mit letzter Sicherheit sagen, ob ein technischer Defekt oder menschliches Versagen die Katastrophe herbeigeführt hat. Nur schlechtes Wetter kann man nach Auskunft der Flugsicherung in Nürnberg ausschließen. Wobei die damals zur Verfügung stehenden technischen Hilfsmittel begrenzt waren – Flugdatenschreiber und Kabinenrufschreiber kamen erst ab 1967 serienmäßig zum Einbau.

+++ Die Katastrophe von 1961: Ersthelfer von damals erinnern sich +++

Der Vize-Verkehrsminister der CSSR, Karel Stekl, nannte das Flugzeugmodell „besonders zuverlässig“. Freilich war der Absturz im Landkreis Forchheim nicht der einzige, der sich zu dieser Zeit mit einer Iljushin 18 ereignete: Im Januar 1961 starben zehn Passagiere bei Prag, am 12. Juli 1961 kam es auf der gleichen Route zu einem Crash nahe Casablanca, der 72 Menschen das Leben kostete. In den 1960er Jahren stürzten noch fünf weitere Exemplare ab: 1963 nahe Krasnojarsk/Sowjetunion (67 Tote), 1966 bei Bratislava (82), 1967 in Jekaterinenburg (107), 1968 Burgas/Bulgarien (47) und 1969 nahe Assuan/Ägypten (100).

Die Gerüchte

Schon früh tauchten allerlei Mutmaßungen auf, die der damaligen politischen Gesamtlage geschuldet sein mögen. Immerhin befand man sich auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges. Wahlweise soll ein Kampf-Hubschrauber der Bundeswehr, dann wieder ein Helikopter der US Army das Flugzeug abgeschossen haben. 

Nach dem Fund einer Pistole kam zudem der Verdacht auf, es habe an Bord eine Schießerei gegeben. Um dadurch womöglich eine Notlandung im freien Westen zu erzwingen, eine Art Fluchtversuch also. Dem widersprachen die Obduktionen des Gerichtsmediziners, die in keiner der Leichen Geschosse fanden.

UDO GÜLDNER

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