NS-Zeit in Fürth: Vieles liegt im Dunkeln

13.1.2020, 06:00 Uhr
Hakenkreuz-Beflaggung in der Schwabacher Straße: Über die Jahre 1933 bis 1945 in Fürth weiß man nicht allzu viel. Das soll sich ändern. Über das „Wie“ wird im Rathaus diskutiert.

© Stadtarchiv Hakenkreuz-Beflaggung in der Schwabacher Straße: Über die Jahre 1933 bis 1945 in Fürth weiß man nicht allzu viel. Das soll sich ändern. Über das „Wie“ wird im Rathaus diskutiert.

Diese Dienstreise hat auch den Oberbürgermeister tief bewegt: Im Oktober nahm Thomas Jung an einer Gedenkfeier für die Opfer der Massenmorde in der polnischen Stadt Torun teil. Dass damals, kurz nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs, Fürther Mitverantwortung für diese Verbrechen trugen, weiß man in der Kleeblattstadt erst seit kurzem.

Auch deshalb hatten die Grünen schon bei den Haushaltsberatungen Anfang Dezember scharfe Kritik geübt: Als eine der wenigen Großstädte in Deutschland habe Fürth bislang die Zeitspanne zwischen 1933 und 1945 "nur wenig bis gar nicht beleuchtet", hieß es da. Es fehle "eine ausführliche und strukturierte Gesamtbetrachtung dieser Zeit".

Verbunden war die Schelte mit dem Ruf, im Stadtarchiv eine "wissenschaftliche Forschungsstelle" einzurichten, die sich um eine "professionelle Aufarbeitung" kümmert. Ein Historiker solle nicht nur die damalige Stadtverwaltung unter die Lupe nehmen, sondern auch klären, wer in Fürth auf den wichtigen Funktionärsposten der NSDAP saß.

Weil diese Aufgabe über zwei bis drei Jahre mit Kosten "zwischen 189 000 und 283 000 Euro" verbunden wäre, so eine Schätzung von Martin Schramm, fand der Antrag im Stadtrat keine Mehrheit. Der Archivleiter macht keinen Hehl daraus, dass er die zusätzliche Stelle begrüßen würde, gibt sich gegenüber seinem Dienstherrn, dem Oberbürgermeister, aber diplomatisch. Er könne nachvollziehen, dass der Antrag "bei all den finanziellen Aufgaben, die die Stadt zu stemmen habe, nicht die höchste Priorität genießt". Schramm hat nun eine deutlich kostengünstigere Variante im Blick: die Zusammenarbeit mit der Universität Erlangen-Nürnberg. Denkbar sind ihm zufolge eine Doktorarbeit zum Thema oder auch mehrere Masterarbeiten, die zwar weniger umfangreich sind, aber einzelne Punkte intensiv beleuchten würden.

Die Stadt sollte Reisekosten des Doktoranden übernehmen, sagt Schramm, denn die Recherche werde weite Wege mit sich bringen. Zwar seien Dokumente der städtischen Verwaltung aus der NS-Zeit in Fürth vorhanden, die Parteiunterlagen der hiesigen NSDAP aber kurz vor Kriegsende verbrannt worden. Wer sich mit dem Thema wissenschaftlich auseinandersetze, müsse also beispielsweise ins Bundesarchiv in Berlin eintauchen, wo unter anderem die NSDAP-Mitgliederkartei lagert.

Den Grünen-Stadtrat Kamram Salimi, inzwischen OB-Kandidat, lässt das daran zweifeln, dass sich ein Doktorand melden wird. "Wir fangen mit der Forschung quasi bei null an", sagt Salimi. "Das ist mühsam und kaum etwas für Doktoranden, die lieber auf etwas aufbauen wollen." Hobby-Historiker Salimi hatte mit seinen Recherchen die Nazi-Verbrechen in Torun ins kollektive Gedächtnis Fürths gerufen.

Karrieren nach dem Krieg

Zur NS-Zeit in der Kleeblattstadt gibt es ihm zufolge nur die Doktorarbeit "Fürth 1933 bis 1945" des Gymnasiallehrers Manfred Mümmler, erschienen 1995, sowie eine Broschüre des Stadtheimatpflegers Lothar Berthold, der Zeitungsberichte ausgewertet hat. Beides schön und gut, sagt Salimi, "aber es beleuchtet nur die Spitze des Eisbergs". Nicht aufgearbeitet sei zudem, ob und wie Nazis nach dem Krieg in Fürth Karriere machen konnten.

OB Jung pflichtet bei: "Wir haben Handlungsbedarf, es liegt noch viel im Dunkeln." Dass der Archivleiter nun Kontakte zu Hochschulen knöpfen möchte, hält er für den richtigen Weg. Die Stadt könne junge Forscher durchaus mit einem Stipendium unterstützen. Jung verspricht aber auch: Sollte Schramm keinen Erfolg bei seiner Suche haben, werde noch einmal über "eine befristete Teilzeitstelle" zu reden sein. "Wir befassen uns sehr ernsthaft mit dem Thema."

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