Aberwitzige Musikartisten

20.6.2016, 12:16 Uhr
Aberwitzige Musikartisten

© Fotos: Berny Meyer, Martin Bartmann

Aberwitzige Musikartisten

© Foto: Bartmann

Aberwitzige Musikartisten

© Fotos: Berny Meyer, Martin Bartmann

„Rausch“: das Motto der Begleitausstellung, charakterisiert zugleich ein berauschendes Bühnenprogramm mit Schwerpunkt auf Musiksatire. Vielseitig anregend erweitert es die Perspektive mit originellen Eindrücken. Zu den Höhepunkten zählt der Auftritt des Wiener Bläserseptetts „Federspiel“ am Freitagabend. Dass sie ihr Hand- und Mundwerk meisterhaft beherrschen, daran lassen die Musiker von Anfang an keinen Zweifel aufkommen. Mühelos mischen sie die Stile, schlagen Brücken zu anderen Kulturen und zeigen dabei, dass diese gar nicht so weit von hiesigen Musiktraditionen entfernt sind. Was die Wiener Energiebündel aus dem Repertoire traditioneller Volksmusik schöpfen und mit aktuellen musikalischen Strömungen in eine neue Form bringen, das hat Spannung, Charakter und versprüht Esprit.

Nie steht die Virtuosität unreflektiert im Vordergrund – auch wenn Tubist Roland Eitzinger mit seinem Solo die Klangartistik locker in schwindelerregende Höhe treibt. Immer geht es um die Ehrenrettung der Volksmusik als Lebensquelle aller Tonkunst. Raffinierte Rhythmik, überraschende Modulationen und ein wohldosiertes Melos, das dem Ohr auch in seinen bizarren Ausprägungen noch schmeichelt, nehmen das Publikum mit auf die Reise zu neuen musikalischen Ufern. Absolute Präzision zeichnet die Klangkultur in den zum Teil komplexen Kompositionen aus. A-cappella-Gesang und Zither erweitern das Spektrum reizvoll.

Der zudem überaus gewitzte Auftritt hat Steilformat. Vergangenes Jahr noch ein Glanzlicht des Nürnberger Bardentreffens, hat die pfiffige Formation auch dem Anwandener Publikum den Kopf verdreht. Wie Wachauer Wein mit der Qualitätsbezeichnung Federspiel.

Ans Eingemachte ging es zuvor beim Auftritt von Hans Well & Wellbappn. Zusammen mit seinen Töchtern Sarah und Tabea sowie Sebastian Göller als Ersatz für den nach seinem Abi auf Weltreise gegangenen Sohn Jonas rechnet der Biermösl Blosn-Veteran gnadenlos ab mit der Landespolitik. Dabei erweist er sich dank guter Informanten Eingangs auch als intimer Kenner der lokalpolitischen Merkwürdigkeiten. Zirndorf wird dabei als „mittelfränkisches Andalusien“ charakterisiert. Der bayerische Separatismus ist ein ebenso dankbares Thema wie die Korruption im Fußball und die Flüchtlingspolitik der Bundeskanzlerin.

Was das freche Mundwerk und die unbändige Spielfreude anbelangt, erweist sich die junge Generation dem Routinier durchaus ebenbürtig. Das Quartett harmoniert perfekt, wovon sich in Anwanden auch Jonas Well überzeugen konnte, der sich nach seiner Rückkehr von den Galapagos-Inseln erstmals wieder bei einem Auftritt der Familie sehen ließ – allerdings nur im Zuschauerraum.

*Da haben sich zwei gesucht und gefunden: das Duo, das „Zärtlichkeiten mit Freunden“ austauscht, bestritt mit „Gankino Circus“ das dritte Doppelkonzert auf dem Heuboden im Wolfgangshof. Instrumentalkomedy trifft auf Totalquatsch.

Zärtlichkeiten mit Freunden – das stellt den Zuschauer nicht nur auf eine Humorprobe, sondern vor allem auf eine Geduldsprobe. Ein wenig wirken Stefan Schramm und Christoph Walther wie Stan und Ollie, wenn sie nicht Filme gedreht, sondern Hörspiele inszeniert hätten. Der Humor lebt also vom Wortwitz, genauer: vom gezielten Missverständnis, vom allzu wörtlich nehmen des Gesagten, von der Wiederholung, und vor allem: von Momenten der Begriffsstutzigkeit, die in epische Länge gezogen werden.

Stefan Schramm mit blonder Wischmop-Perücke gibt den Ollie, den Vernünftigen und Freundlichen und Engelsgeduldigen, der bloß mit seiner Gitarre ein wenig Musik machen will. Christoph Walther macht den Stan, nur dass der nicht gar so kindlich drein schaut, sondern sehr von sich und seiner Wichtigkeit und Richtigkeit überzeugt ist. Und vor allem von dem, was ihm seine Mamas und Papas alles beigebracht haben. Nämlich, dass es ganz wichtig ist, möglichst viel zu wissen und alles, was einem durch den Kopf geht, laut auszusprechen. Weil dann kann man im Bewerbungsgespräch Punkte sammeln. „Sonst bleibst du nämlich auf der Strecke!“ Dies ist Christophs Credo, das er im Laufe des Abends ein halbes Dutzendmal verkündet.

Eigentlich wirkt der Auftritt der Zärtlichkeit mit Freunden wie eine Ein-Mann-Schau, denn Stefan Schramm beschränkt sich zumindest an diesem Abend mit der Rolle des Stichwortgebers, während Christoph Walther durch ungeahnte Windungen der Geistesabstrusitäten mäandert, was gelegentlich an Karl Valentin erinnert. Wären da nicht diese endlos langen Denkpausen und Wiederholungen des bereits Gesagten, die gewaltig an den Nerven zerren. Aber das eben macht den innersten Witz des Duos aus. Irgendwann klopft Walther auch auf seinem Schlagzeug herum und sabotiert den Song mit einem komplizierten Rhythmus. Immerhin, trommeln kann er!

In gleitendem Übergang geht es weiter mit Gankino Circus. Das Quartett aus Dietenhofen, laut eigener Angabe Dorfmusiker in der fünften Generation, spielt Kirchweihmusik auf Speed querbeet durch alle mittelfränkischen wie transsilvanischen Stile und Folkloren, und als hätten die vier vorhergehenden Generationen miteinander Inzucht getrieben. Gitarrist Ralf Wieland muss bei Zärtlichkeiten mit Freunden genau aufgepasst haben, denn seine endlosen Anmoderationen verirren sich ebenfalls vom Hundertsten ins Tausendste, berichten von einer Nacht zu viert mit einer mazedonischen Bäuerin, oder von einem „menschgewordenen Wolf oder wolfgewordenem Mensch, der 30 Liter Bierfassbier aus dem Bierfass“ auf Ex aussäuft. Dabei sind Gankino Circus in ihrer Thematik topaktuell, thematisieren gar Genderfrust und Szenen häuslicher Gewalt.

Das schaut dann so aus, dass der Saxophonist Simon Schorndanner derart auf die Triangel eindrischt, dass wiederholt der Triangelständer umkippt; dass der Akkordeonist Maximilian Eder ein gewollt stupides Solo auf der Rahmentrommel hinlegt; und der eigentliche Drummer Johannes Sens wegen Überfütterung zusammenbricht, durch Christoph Walther ersetzt wird, schließlich zurückkehrt und neu gestärkt ein Solo hinfetzt, währenddessen er sich aus seinen Klamotten schält und den Fußballdress von Dietenhofen überzieht, und zwar ohne einmal auszusetzen. Fürwahr, ein Furor an Wahnwitz auf dem Wolfgangshof.

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