Am Anfang war die Tusche

28.7.2016, 18:30 Uhr
Am Anfang war die Tusche

© Foto: Tim Händel

Die Welt, in der Wernfried Hübschmanns Bäume und Pflanzen leben, ist phantastisch weit, reich und offen. In seinen Gedichten geht es um die Natur in all ihren Variationen. Hübschmann lässt Pappeln rauschen, Wolken ziehen, Flüsse mäandern, bis einem weiß vor Augen wird. Er zoomt heran, überblendet assoziativ, bis der Blick sich weitet und man meint, im Kern der Dinge angekommen zu sein.

Weil der im Landkreis Lörrach lebende Lyriker, Essayist, Coach, Moderator und Rezitator tiefer in die Materie eindringt, befasst er sich nicht nur mit Einzelphänomenen wie Blitzen oder Schnee, sondern beschreibt übergeordnet die Themen Stimme, Räume und Träume.

Auf diese Weise sind drei Bände entstanden: „Nachrichten aus dem Inneren der Stimme“ (2013) mit dem Schwerpunkt Klang, „Dunkle Flecken auf blauem Grund“ (2014) sowie vor wenigen Tagen „Träume sind Türme schmelzenden Eises“ (2016, 64 Seiten, 14,80 Euro), ein Werk, das wie der Bericht einer Seelenwanderung anmutet.

Die Trilogie (im Schuber für 55 Euro) ist etwas Kostbares geworden, denn Christian Fritsche, den nicht nur die Fürther Kunstszene vornehmlich als Galeristen kennt, hat in seiner Eigenschaft als Verleger der edition promenade seine guten Kontakte genutzt, um die Kunstsparten zusammenzubringen — ein Vorgehen, das ihm sehr am Herzen liegt. So hat sich an der Gestaltung jedes der Bandes ein bildender Künstler beteiligt und Bilder zu den Texten kreiert. „Dabei war es mir wichtig, dass keine Illustrationen entstehen, sondern eigenständige Werke, die den Geist der Gedichte aufgreifen“, betont Fritsche. Seine einzige Vorgabe: Es sollte sich um Schwarz-Weiß-Arbeiten handeln.

Bewegung und Tanz

Den ersten Band hat Georges Ouanounou aus Frankreich mit Tuschezeichnungen geschmückt, wobei er sich mit Hübschmann in der Welt des Archaischen trifft. Am Anfang war schließlich das Wort, der Klang. Seinen Hauptmotiven Bewegung und Tanz ist Ouanounou, der schon 2010 und 2015 in der Galerie in der Promenade ausstellte, dabei treu geblieben. Gestisch zeichnet er Horizonte oder deutet Jahreszeiten an.

Nummer zwei zieren Radierungen von Baptiste Verdoliva, ebenfalls Franzose. Seine Verbindung zu Hübschmann scheint darin zu liegen, der Schwärze ihre Macht und ihr Geheimnis zu lassen, beiden Künstlern sind die Leerstellen wichtig, eben genau das, was sie nicht zeigen oder schreiben. Unerkundetes Terrain, das erobert werden will, Striche, Kreise, Kreuzungen.

Beim aktuellen dritten Teil kommt Clemens Lang aus Fürth mit seinen kraftvollen Materialdrucken zum Zug. Das Faszinierende: Seine Bilder sind so erdig und zugleich luftig wie Hübschmanns Lyrik. Beide lieben die Natur und legen sie allem zugrunde, doch dann schwebt ihr Werk federleicht davon.

Die uneitle Eleganz in Hübschmanns Sprache, die Raffinesse ohne Aufwand überzeugt. Er entdeckt ungewohnte Aspekte in vertrauten Gegenständen und schlägt dabei einen ruhigen, entspannten Ton an. Fritsches Konzept wiederum ist aufgegangen: Er hat vereint, was zusammengehört, hat fruchtbare Begegnungen ermöglicht. Die Tuschezeichnungen, Radierungen und Drucke beziehen sich ebenso wie die Worte auf universell Poetisches, greifen zurück auf uralte menschliche Praktiken.

„In allen Sprachen der Welt gibt es Poesie. Sie ist ursprünglich Beschwörung und Anrufung, Gesang und Gebet, Litanei und Kultus, Spiel und Experiment“, formuliert Hübschmann. Dies drücken die Bilder meisterlich aus. Ein Hochgenuss rundum. Die begleitende Ausstellung in der Galerie Promenade präsentiert Werke der drei bildenden Künstler.

Galerie in der Promenade (Hornschuchpromenade 17). Siehe „Fürther Kunststücke“ auf dieser Seite.

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