Cadolzburger Musical rührt die Franzosen

10.9.2017, 16:00 Uhr
Cadolzburger Musical rührt die Franzosen

© Hans-Joachim Winckler

"Mademoiselle Marie" erzählt von einer Liebe, die es eigentlich gar nicht geben sollte. Normaler Musical-Stoff also. Doch das Stück von Fritz Stiegler (Idee und Text) und Matthias Lange (Musik) über eine junge fränkische Bäuerin und einen französischen Kriegsgefangenen scheut sich nicht, auch von dem unfassbaren Massaker zu berichten, das Männer der Waffen-SS am 10. Juni 1944 in Oradour begingen.

Bei der Cadolzburger Premiere im Sommer 2015 wurde das Musical (Regie: Jan Burdinski) gefeiert. Zu den Höhepunkten des Vorstellungsreigens zählte der Besuch von Robert Hébras, einem Überlebenden des Grauens von Oradour.

Der Kontakt mündete letztlich in der Einladung an die engagierte Spielgruppe, "Mademoiselle Marie" in Oradour-sur-Glane — dem neu errichteten Dorf neben dem historischen, dessen Ruine zum erschütternden Mahnmal wurde — auf die Bühne zu bringen. Eine Geste, deren Bedeutung groß ist. 2013 war es hier zu einem ersten viel beachteten Besuch eines deutschen Spitzenpolitikers gekommen, als der damalige Bundespräsident Joachim Gauck an der Seite seines französischen Kollegen François Hollande der Opfer gedachte.

Nicht erstaunlich also, dass die Zeitung Le Populaire du Centre bei der Ankündigung der Aufführung im Januar noch durchaus kritisch schrieb: "Ein musikalisches Drama, das von Oradour-sur-Glane spricht? Die Idee weckt natürlich Ängste in den Köpfen der Menschen im Limousin. Und wenn wir hinzufügen, dass das Projekt in Bayern geboren wurde und die Texte in deutscher Sprache sind, ändert das auch nicht viel..."

Doch schon im nächsten Satz des Artikels erklären die französischen Journalisten, warum diese Sorgen unbegründet sind, und erinnern unter anderem daran, dass Robert Hébras ebenso wie Oradours Bürgermeister Philippe Lacroix das Projekt befürworten. Lob gibt es in diesem Text auch für Fritz Stiegler. "Der solide Franke mit dem gutturalen Akzent" habe das Musical als "musikalisches Drama" angelegt, in dem es Raum gebe für Lachen und Weinen.

Besuchermagnet

Das Vertrauen erwies sich als völlig berechtigt. Die beiden Aufführungen im Rahmen der Regionalpartnerschaft Mittelfranken-Nouvelle-Aquitaine — ein Zusammenschluss von drei Regionen, in dem 2016 auch das Limousin aufging — erwiesen sich als Besuchermagnet.

In der vollbesetzten großen Halle erhob sich das Publikum nach den Auftritten und klatschte minutenlang begeistert. Das Internet-Magazin France Info versicherte direkt im Anschluss: "Dies ist der Höhepunkt eines Wochenendes der Freundschaft . . ." In Le Populaire du Centre heißt es: "Alle, die bei der Präsentation von ,Mademoiselle Marie‘ in der Halle des Sportkomplexes von Oradour-sur-Glane applaudiert und geweint haben, werden diesen wunderbaren Augenblick nie vergessen." Es sei sehr wichtig, eine solche Leistung zu würdigen.

Nach der ersten Aufführung hätten die Mitwirkenden einen ganz besonderen Tag erlebt: "Sie wurden von allen, die dabei waren, erkannt, begrüßt und gelobt." Für die Cadolzburger standen vor den Auftritten in Frankreich aufwändige Planungen und Vorbereitungen. Viele Mitglieder des großen Ensembles nahmen sich Urlaub, um die Herausforderung zu meistern, zu denen auch der Transport der sperrigen Kulissen gehörte.

Vier Liedtitel wurden ins Französische übersetzt, viele Darsteller machten sich darüber hinaus mit der Sprache vertraut. Im Rahmen des Besuchs kam es übrigens auch zu einem Treffen zwischen Landwirtschaftsminister Christian Schmidt und dem französischen Minister Jacques Mézard, der für die Umsetzung der regionalen Planungspolitik zuständig ist. Auch Bezirkstagspräsident Richard Bartsch reiste nach Oradour.

Warum die Aufführungen von "Mademoiselle Marie" in Frankreich auf so eine bewegende Resonanz stießen, bringt schließlich ein französischer Schreiber in Le Populaire du Centre auf den Punkt: "Dieses Projekt setzt ein Zeichen für die Freundschaft zwischen den Völkern."

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