Corona und Erste Hilfe: Mund-zu-Mund-Beatmung muss nicht sein

27.6.2020, 11:09 Uhr
Corona und Erste Hilfe: Mund-zu-Mund-Beatmung muss nicht sein

© Foto: Peter Steffen/dpa

Frau Zelnhöfer, hat Ihnen Sorgen bereitet, dass Sie und Ihre Kollegen seit Mitte März Menschen nicht mehr erklären konnten, wie Laien im Notfall Leben retten?

Christine Zelnhöfer: Es ist wichtig, das Knowhow potenzieller Ersthelfer immer wieder aufzufrischen, auch in praktischen Übungen, obwohl in der Ersten Hilfe Intuition und gesunder Menschenverstand eine wesentliche Rolle spielen. Aber sagen wir mal so: Als nach unserem letzten Kurs am 16. März von jetzt auf gleich Schluss war, haben wir gehofft, dass die Leute im Ernstfall wenigstens die Notrufnummer 112 auf dem Schirm haben.

 

Seit Anfang Juni dürfen Sie und andere Organisationen wieder Präsenzkurse anbieten. Was ist anders als vorher?

Zelnhöfer: Vieles. Die Teilnehmer müssen wie in Lokalen eine Selbstauskunft ausfüllen, damit sich gegebenenfalls Infektionsketten nachvollziehen lassen. Wir haben statt 20 nur noch 15 Personen im Kurs und mussten feststellen, dass unsere Räumlichkeiten kleiner sind als sie erscheinen. Im Fürther Rot-Kreuz-Haus gibt es aber zwei Säle, die man mit einer Schiebe-Trennwand zu einem machen kann. So können wir die Stühle im Abstand von 1,5 Metern aufstellen. Wer sich im Raum bewegt, muss natürlich eine Mund-Nase-Bedeckung tragen. Am Platz ist das nicht nötig – zum Glück, denn ein Kurs umfasst neun Unterrichtseinheiten und dauert, mit Pausen, in der Regel von 8 bis 16 Uhr.

 

Wie übt man in Corona-Zeiten so etwas wie die Mund-zu-Mund-Beatmung bei der Reanimation?

Corona und Erste Hilfe: Mund-zu-Mund-Beatmung muss nicht sein

© Foto: BRK

Zelnhöfer: Es gibt tatsächlich genaue Vorschriften für die Herz-Lungen-Wiederbelebung vor dem Hintergrund eines erhöhten Infektionsrisikos. Heißt: Wir machen die Atemkontrolle nur noch per Sicht auf den Brustkorb. Sonst sind wir in Partnerübungen mit Wange und Ohr dem Mund-Nase-Bereich des am Boden Liegenden sehr nahe gekommen, um auch zu spüren und zu hören, ob Luft ausströmt oder nicht. So verfahren wir im Moment nicht. Auch im Ernstfall genügt derzeit die Sichtkontrolle.

 

Und wie läuft die Wiederbelebung ab?

Zelnhöfer: Da üben wir den korrekten Ablauf nicht mit einem Partner, sondern an speziellen Puppen, die im Fachjargon Phantome heißen. Auch im Ernstfall muss ein Ersthelfer keine Atemspende geben, sondern nur die Herzdruckmassage ausführen und bei Fremden zusätzlich dessen Mund-Nase-Bereich mit einem Tuch, einem Schal oder einem T-Shirt zudecken.

 

Sie möchten in Ihren Kursen ein Video der Fürther Nachrichten einsetzen, das zeigt, wie man einem verunglückten Motorradfahrer den Helm abnimmt. Warum steigen Sie da auf den Film um?

Zelnhöfer: Wegen der coronabedingten Hygieneauflagen. Wir haben es probiert, aber mit der Abnahme des Helms würde der Mund-Nase-Schutz des Verunglückten verrutschen. Das können wir nicht riskieren.

 

Mit der Puppe funktioniert es nicht?

Zelnhöfer: Nein, die ist zu leicht, zu instabil. Am Phantom können wir nur die Abnahme eines Fahrradhelms zeigen, aber das funktioniert sogar auch am Partner, denn da verrutscht die Maske nicht. Im Übrigen basieren alle praktischen Übungen jetzt auf Freiwilligkeit.

 

Man findet im Internet nicht nur Filme zur Ersten Hilfe, sondern auch ganze Online-Kurse. Was halten Sie davon?

Zelnhöfer: Man kann über Angebote wie die Videoserie der FN gut das eigene Wissen auffrischen und sich einige Theorie aneignen. Aber das Deutsche Rote Kreuz hat sich ganz klar für den Präsenzunterricht ausgesprochen und das in der Corona-Krise auch bekräftigt. Um ein Gefühl für lebensrettende Handgriffe zu bekommen, ist es wichtig, so viel wie möglich praktisch einzuüben. Damit betriebliche Ersthelfer im Training bleiben, müssen sie ihr Wissen alle zwei Jahre in einem Präsenzkurs aktualisieren. Wir bieten das bei uns an, gehen aber auch in die Firmen und passen uns dort den Corona-Konzepten der Unternehmen an.



 

Auch Führerscheinanwärter müssen einen Erste-Hilfe-Kurs nachweisen. Wie lang ist die Warteliste nach der Corona-Pause?

Zelnhöfer: Wir bieten unsere Kurse an sechs Tagen in der Woche an. Wer sich jetzt anmeldet, kommt in zwei bis drei Wochen dran. Wer den Führerschein macht, muss übrigens einen Kurs mit neun Unterrichtseinheiten besucht haben, der offiziell anerkannt ist. Für Online-Kurse gilt das nicht.

 

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