Das Fürther Babylon-Kino ringt um seine Existenz

7.4.2020, 12:00 Uhr
Das Fürther Babylon-Kino ringt um seine Existenz

© Foto: Hans-Joachim Winckler

In der Filmzitatekiste liegt wirklich genug herum für Horrorfälle wie diesen. Doch für Ironie vom Schlage "Hasta la vista, Baby!" ist weder Zeit noch Platz, denn nichts ist hier ironisch. "Wir stehen ein paar Meter weg vom Abgrund", das sagt auch nicht etwa Luke Skywalker, sondern Christian Ilg.

Er ist Geschäftsführer des Babylon. Wie beschreibt man das Babylon gleich wieder? Unabhängiges und mehrfach für Qualität ausgezeichnetes Kino jenseits der popcorn-gefräßigen Multiplex-Ketten, das trifftʼs. Aber nicht in Gänze. Das Haus in der Nürnberger Straße ist auch Kneipe, Lokal, Jazzkeller, Kunstort, Kleinkunst- und Feierbühne, kurzum: Kultur-Hotspot mit einem Profil wie kein anderer in der kleinen Großstadt Fürth. Ein brutal erkalteter Hotspot. Auf Eis gelegt ausgerechnet im besten Geschäftsmonat des Jahres.

Der März ist für die Arthaus-Branche, was die Weihnachtszeit für die Riesensäle-Konkurrenz ist, wenn dort ein Blockbuster den nächsten jagt. Im Umfeld und Nachklang der Oscar-Verleihung und der Berlinale kommt rein, was Cineastenherzen wärmt, ab Januar geht es Schlag auf Schlag. Seit 17. März aber geht im Babylon – der große Saal fasst 91, der kleine 50 und die "Diele" rund 20 Plätze – gar nichts mehr. Allein in diesen drei Wochen beklagt Ilg einen Verlust von 5000 bis 6000 Zuschauern. "Die Saison", sagt er lapidar, "ist vorbei". Zumal der Sinkflug bereits im Februar begann, als das Coronavirus die ersten Mitmenschen zu beunruhigen begann.

Es gibt heuer kein Nüsschensammeln

Im Wonnemonat März sammelt, wie andere kleine Häuser auch, das Babylon Nüsschen für die besucherschwachen Sommermonate. Nüsschensammeln 2020? Vergiss es. 40.000 Zuschauer verzeichnete Ilg im Geschäftsjahr 2019. Illusorisch, das wieder reinzuholen. Mai, Juni, Juli 2020 hat er längst abgeschrieben. Veranstaltungsreihen wie die Schüler-Kinowochen und das Senioren-Montagskino, das jährlich rund 5000 Filmfans anzieht, alles ist weggebrochen. "Und ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass wir im Sommer mit 500 dicht an dicht sitzenden Leuten auf der Freilichtbühne im Stadtpark Open-Air-Kino machen werden."

2006 übernahm Christian Ilg mit zwei Kompagnons das Kino, im Jahr zuvor hatten sie im Keller mit dem "Raum 4" eine kleine Club-Institution geschaffen. Die glorreichen Jahre des alten Kronprinz-Kinos waren da längst Geschichte; unter Josef Kopelent und unter dem neuen Namen "Babylon" hievte sich das Haus ab 1990 ins Spitzenfeld der süddeutschen Arthaus-Szene. Kopelents Nachfolger scheiterte gründlich, Ilg übernahm ein insolventes Haus.


Corona: Soforthilfe für kleine Kinos in der Krise


14 Jahre später (und inzwischen alleiniger Geschäftsführer) muss sich der 41-Jährige ein weiteres Mal auf sein Knowhow der frühen Jahre besinnen – er hat Bankkaufmann gelernt. Seit 17. März hat er verhandelt, gegrübelt, diskutiert und Pläne gewälzt für das Haus, sein fünf Damen und Herren starkes Team und für einen zweifachen Familienvater, der Christian Ilg heißt.

Begriffe wie "Rettung" und "Überleben" mag er nicht verwenden, denn "im Augenblick kämpfen Menschen um ihr Leben und Menschen kämpfen für das Überleben anderer". Gleichwohl braucht das Babylon einen Plan, hier und jetzt. Infra und Vermieter hätten mit Blick auf die Pacht eine "tolle und tragfähige Lösung" gefunden. Der FilmFernsehFonds Bayern hat Hilfe angekündigt, der Freistaat Soforthilfe gewährt und die Sparkasse Fürth ein Notdarlehen vergeben – Maßnahmen, die helfen, das Babylon über Wasser zu halten. Ausreichend sind sie dennoch nicht.

Das Ziel: 1000 Gutscheine à 25 Euro

Grübler Ilg grübelte weiter. Als erste öffentliche Aktion hat er vor wenigen Tagen "1000 x 25 €" auf die Beine gestellt. Wer dem Babylon wohlgesonnen ist, hat hier die Möglichkeit, Gutscheine zu kaufen, die er, wenn sich die Türen wieder öffnen, im Kinosaal, in der Gastronomie oder in der Kellerbühne eintauschen kann. Geplant sind außerdem die Gründung eines Fördervereins und ein Aufschlag namens Krisentaler auf jede zukünftig verkaufte Karte, bis das Notdarlehen abbezahlt ist.

Das Fürther Babylon-Kino ringt um seine Existenz

© Foto: Hans-Joachim Winckler

Die Rückmeldungen auf "1000 x 25 €" sind mehr als erfreulich. "Ich werde euch unterstützen. Das Babylon muss für Fürth und seine Bürger bleiben", heißt es da. Warmherzigkeit, die den Babylon-Chef rührt. Dennoch sieht er einen Teil der Verantwortung nicht bei den Kinofans, sondern im Rathaus und in München. "Für die Kinokultur ist die Corona-Krise ein Meteoriteneinschlag". Die Lokalpolitik habe derzeit viele andere Steine zu wälzen – klar. "Doch spätestens in einem halben Jahr wird man sich fragen müssen, welche Art Stadtkultur wir nach der Krise haben wollen. Wenn man in Fürth nicht begreift, dass ein Haus wie das Babylon auch als sozialer Kitt fungiert, dann werden die Leute zu einem Großteil nach Nürnberg fahren."

Für kurzfristige Einnahmen könnte das Milchhäusle in der Adenaueranlage sorgen, Ilg übernahm es 2017 und machte den Trinker- zum Familientreff. Gemäß der aktuellen Verordnungen sei ja ein Verkauf von Eis, Kuchen und Getränken "to go" möglich. "Doch es ist anderseits wenig sinnvoll, dass ausgerechnet jetzt 100 Leute vorm Milchhäusle zusammenkommen und sich infizieren." Nach Ostern will Ilg über eine Öffnung nachdenken, vorher nicht. Die immensen Verluste das Stammhauses fängt das Milchhäusle jedoch nicht annähernd auf.

"Ich bin sehr skeptisch, wann dieses Jahr wieder Kino möglich ist", sagt ein hörbar geschlauchter Babylon-Chef. Vielleicht ab Herbst, dann sei die Scharte vielleicht mittelfristig auszuwetzen. Geht das Jahr kinolos zu Ende, "dann werde ich hart nachdenken müssen".

Die "1000 x 25 €"-Gutscheine sind bestellbar unter mail@babylon-kino-fuerth.de und direkt hier bei PayPal.

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