Debüt im Bundestag: Fragen, Regeln und Paragrafen

20.10.2013, 10:00 Uhr
Debüt im Bundestag: Fragen, Regeln und Paragrafen

© Ralf Rödel

Seine Frau und die Töchter Johanna (6) und Emma (1) werden ihm fehlen. Für Carsten Träger, bisher Werbefachmann bei der Sparkasse Fürth und Vize-Fraktionschef der SPD im Stadtrat, ist das „die Schattenseite“ seines neuen Lebens als Bundestagsabgeordneter. „Ich war nie mehrere Tage nicht daheim“, sagt der 39-Jährige. Erst im März hat sich die junge Familie den Traum vom Eigenheim erfüllt und in Oberfürberg eine Doppelhaushälfte gekauft. Kaum eingezogen, packt Papa schon wieder Kartons. Als Parlamentarier wird er pendeln: eine Woche Berlin, eine Woche Fürth, so in etwa. Claudia Träger geht das pragmatisch an: „Wenn ich weiß, dass er die Woche über weg ist“, sagt die 35-Jährige, „ist der Alltag für mich besser planbar als im Wahlkampf, wo er da war, aber kaum daheim.“

„Toller Spreeblick“

Mehr planen würde ihr Mann auch ganz gern. Doch solange sich Union und SPD nicht einig sind, ob sie das Land zusammen regieren wollen, steht vieles in den Sternen. Etwa welchen Fachausschüssen Träger angehören wird. Sein Wunsch wäre Wirtschaft, Energie, Umwelt. Aber, das weiß der Sohn des verstorbenen Bürgermeisters Hartmut Träger über den Polit-Betrieb: „Die Neuen müssen sich hinten anstellen.“ Um nicht nichts zu tun, liest er sich nun in die Grundlagen des Umweltausschusses ein: Atommüllfässer im Atlantik, Wildtierhandel in Deutschland...

Viel Zeit für Inhalte bleibt einem Abgeordneten in den ersten Wochen sowieso nicht. Es ist ja alles Mögliche zu regeln: Eine Wohnung muss her und Mobiliar, man braucht Mitarbeiter, ein Büro.Vor der Wahl war Träger bei einem SPD-Kandidatentreffen in Berlin. Er und die anderen Parlamentarier in spe erfuhren da allerhand Nützliches rund ums Mandat. Auch für Träger, der Politologie studiert hat, war manches neu. „Zum Beispiel dass es einen Fahrdienst gibt, ein Taxi nur für Abgeordnete, das mich vom Flughafen abholt und zum Reichstag bringt oder mich nachts von dort heimfährt.“

Wie oft er den Service nutzen wird, bleibt abzuwarten. Trägers privates Hauptstadt-Refugium liegt zentral, hat Straßenbahnanschluss. Es sind eineinhalb Zimmer zwischen Mitte und Prenzlauer Berg, „gewissermaßen auf dem Todesstreifen“. Träger wohnt im vierten Stock, ohne Aufzug. Den Mietvertrag hat er blind unterschrieben, nachdem Mitarbeiterinnen seiner Amtsvorgängerin Marlene Rupprecht für ihn am Schwarzen Brett des Bundestags etwas Passendes gesucht und besichtigt hatten. „Ich wollte mich damit nicht aufhalten.“ Drei Damen aus Rupprechts Team beschäftigt er weiter („Man braucht erfahrene Leute“), ein Mann und eine Frau kommen hinzu. 16000 Euro brutto stehen Abgeordneten im Monat für Mitarbeiter zur Verfügung.

Rupprechts Büro im Paul-Löbe-Haus hätte Träger ja auch ganz gern. Wegen des „tollen Spreeblicks“, und weil’s praktisch wäre: Ausschüsse tagen dort, zu Reichstag und Kanzleramt ist es ein Katzensprung. Die Alternative — Unter den Linden, Blick aufs Brandenburger Tor — ist zu Fuß zehn Minuten weiter weg. „Auch nicht unzumutbar“, diese Adresse, witzelt Träger.

Bisher weiß er, dass er sein Wahlkreisbüro in Fürth, Hirschenstraße, am 1. November beziehen wird. In Berlin hat er nur die „feste Zusage“, dass ihm ab Dienstag „ein Raum“ zur Verfügung steht. Welcher Raum? „Keine Ahnung.“ Die Ausstattung? Schulterzucken. 6000 Euro für Sachleistungen stehen ihm zu. 30 Euro pro Arbeitstag ab dem Tag der Konstituierung, sagt Träger und fragt sich: Kann er die schon bestellten Büromöbel vor dem 22. liefern lassen oder erst danach? Und wohin? Muss er in Vorleistung treten oder bezahlt der Bundestag gleich?

Tausend Fragen, tausend Regeln, tausend Paragrafen. „Zum Glück steht einem die ganze Bundestagsverwaltung für Auskünfte zur Verfügung“, meint der Neue und schwärmt von den freundlichen Angestellten: „Als Abgeordneter wird man auf Händen getragen.“

Es wird eine große Woche für Carsten Träger. Sie beginnt am Sonntag mit einer ICE-Fahrt erster Klasse nach Berlin. Ab Mittag entscheidet die SPD bei ihrem Parteikonvent über die Aufnahme formeller Koalitionsverhandlungen mit der Union. Träger ist einer von 200 Delegierten. Am Dienstag folgt die konstituierende Sitzung des Bundestags, Träger ist dann, ohne Eid, offiziell Abgeordneter mit einem Bruttogehalt von 8252 Euro. Und am Freitag hat er Geburtstag, einen runden...

Der Dienstag ist für ihn der „wichtigste Tag in meinem Leben“, der Sonntag der aufregendste. „Sonntag geht’s um Deutschland.“ Sieht er für „sozialdemokratische Kernthemen wie den Mindestlohn“ mit der Union keine Chance, will er gegen Koalitionsgespräche stimmen. Er findet es elektrisierend, was sich jetzt abspielt auf Berlins politischer Bühne, spürt aber auch einen Druck, „eine bundespolitische Verantwortung“ und liegt nachts schon mal wach — in Berlin vorerst auf einer Luftmatratze, das neue Bett ist noch nicht da.

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