Die Besen, die Borsten und der Beton

8.11.2016, 15:33 Uhr
Die Besen, die Borsten und der Beton

© Foto: Hans Winckler

Die Werkstatt in einem Hinterhaus in der Theaterstraße wirkt auf den ersten Blick wie frisch onduliert. Es ist die Art von Ordnung, der eine Ahnung von Gründlichkeit beiwohnt. Gerätschaften liegen scheinbar ausgerichtet beieinander, Arbeitsflächen sind frei gelegt. Franz Janetzko winkt ab: „Das gibt sich bald wieder.“ Es sind, beruhigend genug, Spuren, die das „Gastspiel“-Wochenende des Kulturring C hinterlassen hat. „Davor wurde halt aufgeräumt.“

Wobei, etwas Aufgeräumtes haben auch die Arbeiten des 64-Jährigen an sich, im Sinne von Verzicht auf alles Überflüssige. Seine Skulpturen sind reduziert auf den Kern der Idee. Kompromisslos trägt er Schicht um Schicht ab, bis das Wesentliche übrig ist. Und diese Freilegung offenbart sich dem überraschten Betrachter nicht selten als wunderbar skurril.

Den Materialien, die Janetzko zur Hand nimmt, haftet zunächst wenig an, was die Fantasie übermäßig beflügelt. Beton. Grobspanplatten. Stein. Holz. Doch bei ihm wandelt sich Gewöhnliches und offenbart Extravaganzen. Widersprüchliches lässt unerwartete Nähe erkennen, wenn er zum Beispiel leere PET-Flaschen zerdellt, mit gefärbtem Beton ausgießt und zu Plastiken zusammensetzt, zu denen sich an erstaunlich sinnreicher Stelle ein (Beton-)Trichter gesellt. . .

Seine Arbeiten kommen meist als Serie daher. Das „Gesammelte Schweigen“ war so eine. Formschöne Buchregalkästen aus Holz. Angepasst für eine fein abgestimmte Beton-Bibliothek. „Aber die Werkgruppe ist abgeschlossen. Man will ja nicht stehen bleiben.“ Mit Günter Derleth, dem Camera-Obscura-Virtuosen, hat er im Sommer in der Badstraße 8 Bild-Apparate gezeigt, die intime Einblicke und öffentliche Aussichten vereinten und dabei doch etwas Geheimnisvolles für sich behielten.

„Eigentlich ist ständig was“

Woran arbeitet er jetzt? „Im Moment ist erst mal etwas Ruhe. Obwohl, eigentlich ist ständig was.“ Da sind zum Beispiel die Besen. Fünf Stück stehen in einer Atelierecke und machen kein Aufhebens. Feger halt. Mit Holzstielen und Bürstenköpfen – aus Beton. Gegossen so filigran, dass die Versuchung groß ist, mal kurz nachzufühlen, ob das nicht doch Borsten sind. Was weiter damit wird? Oder sind die fertig?

Janetzko schüttelt den Kopf. Da könnte sich noch was ergeben. „Aber das gehört ja dazu. Dass man was Neues ausprobiert, und dann ist es vielleicht noch nicht so, wie man sich das überlegt hat. Darauf muss man sich einlassen.“ Ein Spannungsfeld, das Franz Janetzko seit den frühen Achtzigern erträgt. Der Mann, der 1951 in Erfurt zur Welt kam, verbrachte Kinderjahre und Jugend in Franken. Er schloss ein Sozialpädagogikstudium ab und merkte: „Das war nicht das, wohinter ich wirklich stehen konnte.“ Zweimal ging er für längere Zeit in die USA. „Erst Ohio, dann Kalifornien rauf und runter.“ In San Francisco zieht er „als Hilfszimmermann“ in ein altes, erdbebengeschütteltes Holzhaus und hilft bei der Renovierung.

Seither ist Holz ein Werkstoff, der ihn begleitet. Zurück in Fürth, birgt eine aufgelöste Möbelfabrik, die ein Freund geerbt hatte, die Chance, vieles auszuprobieren. „Da war noch jede Menge Holz. Da macht man dann einfach.“ Seine Entscheidung, als freischaffender Künstler zu arbeiten, ist zu diesem Zeitpunkt längst gefallen. Konsequent und beharrlich hat er sie seither gelebt. Aber eben nie ohne diesen hintersinnigen Witz. Selber kann er übrigens „über humorvolle Kunstwerke“ lachen, über Arbeiten von Beuys oder Duchamp.

Gar nicht lustig: Seine Betonskulptur zum Thema „Wachstum“, die 2007 zum Stadtjubiläums in der Hornschuchpromenade aufgestellt wurde, musste vor kurzem weichen. Endgültig, weil sich kein anderer Platz fand. Ironie des Schicksals: Jetzt gibt es für Franz Janetzko, der in Fürth lebt und arbeitet, nicht nur den Sonderpreis Kultur; gestern Abend war er auch einer der Preisträger des „Nürnberg Stipendiums“. Wenn’s mal läuft. . . Die Reaktion des Künstlers: kurz und knapp. „Freilich freu’ ich mich.“ Und im Übrigen ist das wohl wie mit dem Humor, der in allem, was er anfasst, lauert und von dem er selber sagt: „Des mog i scho gern.“

*Den zweiten Sonderpreis Kultur der Stadt Fürth 2016 erhält am Sonntag Ingrid Lamatsch, Kopf und Herz des Heimat- und Trachtenvereins Stadeln. Ihr Porträt lesen Sie in den FN Ende dieser Woche.

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