Die Kofferfabrik greift in die Psychokiste

14.12.2015, 14:00 Uhr
Die Kofferfabrik greift in die Psychokiste

© Foto: Tim Händel

Wäre doch gelacht, wenn der uns wieder zusammenbrächte – mit solchen Gedanken sitzen Valentin und Joana bei Harald, dem Berater. Der wiederum wirkt gar nicht wie das Therapeuten-Klischee: gutmütig-graumelierter Herr mit Bart und Brille. Er ist eher ein Jungunternehmer, ein Problemlöser, der noch in der trockensten Wüste eine Quelle findet. Und vor allem ein unverbesserlicher Optimist.

Den braucht es auch, denn Mann und Frau befinden sich in einer argumentativen Möbius-Schleife. Alle Vorwürfe, die Joana gegen Valentin vorbringt, dienen ihm nur zur Bestätigung ihrer Paranoia.

Wogegen seine Selbstsicherheit, sein unerschütterliches Wissen um seine Rechtschaffenheit Joana zum Wahnsinn treibt und als betonharte Sturheit ausgelegt wird. Und Daniel Glattauer, der Autor der „Wunderübung“, windet kristallklare Argumentationsketten, die sich zum Endlosband verschlingen.

Aber irgendwann müssen sich die beiden doch mal gemocht haben? Sich verliebt haben? Ja, das war unter Wasser, beim Tauchen. Kunststück: Unter Wasser ist schlecht reden. Eine Ahnung von der Harmonie unter Wasser vermittelt immerhin die Lavalampe auf dem Tisch, in der sich zwei rote Wachsklumpen im Auf und Nieder umspielen.

Wer nun meint, Glattauers Paarberatung drifte in verzweifelt erotische Abgründe, wie sie einst Loriot in seinem legendären Sketch auslotete, der irrt. Daniel Glattauer versucht es mit Psychospielchen, die die Kontrahenten zu Partnern machen sollen. Ein Versuch, die geballte Faust des anderen zu öffnen, gleicht einem Kamikaze-Akt mit Nussknacker und Dosenöffner. Ein zweiter Versuch, mit aufeinandergepressten Fingerspitzen Kreise zu malen, scheitert desgleichen. Und die Fantasie, aufzuwachen und alle Probleme seien gelöst, wirkt vollkommen irreal. Irgendwann stößt auch der geduldigste Therapeut an seine Grenzen. Umso mehr, als Mann und Frau sich als gar nicht so borniert und stumpf erweisen, sondern sehr eloquent und argumentativ beschlagen ihre Standpunkte verteidigen.

Therapie zwecklos? Genau dann, wenn alle vernünftigen Möglichkeiten ausgereizt sind und die Psycho-Farce zu Ende sein müsste, schlägt Glattauer eine überraschende Volte: Der Therapeut erhält eine SMS, seine Gemahlin macht Schluss mit ihm.

Nun schnurrt der Retter zum Häufchen Elend zusammen, und die zerstrittenen Gatten suchen zu retten, was zu retten ist: Der muss man zeigen, wer hier das Sagen hat! Kein Wunder, wer dauernd aufs Verständnis setzt, verliert. Denn, wie Joana weiß: Erst das seelische Aneinanderreiben und Aufreiben hält die Beziehung auf Betriebswärme. Ob das gut geht? Was der Zuschauer schon ahnt, geht am Ende in Erfüllung: Das zerstrittene Paar findet wieder zueinander und die fatale Trennungs-SMS war nichts anderes als der letzte Psychotrick.

Mag sein, dass eine Yasmina Reza mehr Boshaftigkeiten aus dem Stück geschöpft hätte, doch Daniel Glattauer braucht sich mit seinem Wortwitz vor der Meisterin der intellektuellen Komödie nicht zu verstecken. Getragen von dem famosen Dreiergespann Markus Nondorf, Andrea Gerhard und Frank Strobelt saust die Zeit im Kofferfabrik-Theater wie im Fluge dahin, prasseln die Pointen im Sperrfeuer. Und hernach, bei Bier oder Rotwein, schätzen Mann und Frau das Singledasein.

Verwandte Themen


1 Kommentar