Ein guter Erzähler

21.9.2018, 21:00 Uhr
Ein guter Erzähler

© Foto: Markus Kohler

Sie haben den Charme eines Sahnebaisers, die Fassaden, die sich in Fürths Hornschuchpromenade und in der Königswarterstraße mit dezent arroganter Noblesse bewundern lassen. Bis heute erzählen die Stein gewordenen Architekturfantasien vom großen Auftritt und vom Glanz des Geldes, das solche Üppigkeit finanzieren konnte. Manfred Hürlimann riskiert den Blick hinter die Fassaden, lässt sich inspirieren von Anekdoten und Biografien. Seine Bilder sind jetzt dort zu sehen, wo sie eigentlich hingehören: In der Belle Etage einer herrschaftlich zugeschnittenen Wohnung.

Mit leichter Hand kommt zusammen, was sich gegenseitig beflügelt. Christian Fritsches Galerie in der Promenade lässt für die jeweiligen Ausstellungen Öffentlichkeit im privaten Wohnraum zu, während Hürlimanns Bilder in die intimen Sphären vergangener Bewohner des Prachtboulevards vordringen. Im langläufigen Flur begegnet der Besucher gleich einem, der prägend wirkte: Von Christian Heinrich Hornschuch wurde Hürlimann zu seiner Arbeit "Der Anruf" inspiriert.

Hornschuch, Industrieller und Namensgeber der Promenade, ließ das erste Überlandtelefon Deutschlands von Fürth nach Forchheim legen. Was den Geschäften des visionären Fabrikanten nutzte, trägt auf Hürlimanns Bild auch die Spuren des Verdrusses, den das Medium mit sich brachte. Wer ständig erreichbar ist, kann auch schlechten Nachrichten kaum noch entfliehen.

Solche Botschaften drängt der Maler, der aus der Schweiz stammt, in Nürnberg lebt und in wenigen Tagen seinen 60. Geburtstag feiert, freilich niemandem auf. Wer mag, kann eine ganz andere, eigene Geschichte aus der klug komponierten Szene lesen. Eine faszinierende Möglichkeit, zu der jedes Werk einlädt. Denn immer tritt Hürlimann als visueller Erzähler auf, sein Kosmos ist reich an Andeutungen, versteckten Anspielungen und offengelegten Geheimnissen. Seine Welt ist die der Mythen und Symbole. Ein angebissener Apfel ("Späte Reue") etwa eröffnet auf den ersten Blick die komplette Verführungsabsicht irgendeiner Eva.

Manfred Hürlimann, der unter anderem 2005 mit dem ersten Preis beim Kunstpreis der Nürnberger Nachrichten ausgezeichnet wurde, hat sich eine sehr persönliche Palette geschaffen. Seine Reminiszenz ("Der Musenkuss") an Wilhelm Königswarter – bedeutender Stifter für Fürth und weiterer Straßen-Namensgeber – findet vor dem Hintergrund eines elegant zurückhaltenden Taubenblaus statt. Wenn sich das Licht, das bei diesen Arbeiten eine entscheidende Rolle spielen darf, ändert, wird plötzlich unter dem Blau die Andeutung eines leidenschaftlichen Rottons erkennbar.

Eine kunstvolle Schichtung, die auf subtile Art mitspricht und ihren Teil beiträgt zu der Fülle an Details, die Hürlimann miteinander verwoben hat. Wie jeder gute Erzähler baut der Maler in seinen Bildern eine unbezwingbare Spannung auf. Beinahe magisch ist die Selbstverständlichkeit, mit der er den Blick des Betrachters lenkt. Kein Trick, aber eine besondere Rolle kommt dabei dem Aufbau seiner Sujets zu. Mit Nonchalance beweist er Mut zur Lücke, lässt das Zentrum seiner Arbeit oft einfach leer und bloß dastehen.

Wer an ebenso systematische wie brave Aufteilungen gewöhnt ist – und wer ist das nicht? –, spürt angesichts der ungestalteten Fläche Unsicherheit und beginnt, mit neuer Intensität die Leinwand zu untersuchen. Er wird fündig werden, sich in neuen Geschichten verlieren und ganz nah sein bei denen, deren Leben sich einst hinter den Fassaden von Fürths Prachtboulevard abspielte.

"Einsichten – Aussichten": Galerie in der Promenade (Hornschuchpromenade 17). Nach Vereinbarung unter Tel. 70 66 60. Bis 20. Januar. Zu den "Stadt(ver)führungen" wird Galerist Christian Fritsche am heutigen Freitag (15 und 16 Uhr) und am Samstag (13 und 14 Uhr) durch die Ausstellung führen.

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