Es kann nur einen geben

2.9.2013, 12:30 Uhr
Es kann nur einen geben

© Michael Müller-Jentsch

„Guck mal, der Pfarrer", flüstert eine Stimme von hinten, „der wird sich freuen, dass jetzt die Kirche so voll ist." In der Tat, die Matthäuskirche in Vach war inklusive der Emporen fast bis zum letzten Platz gefüllt. Denn schließlich hatte die Matthäusnacht durchaus etwas Experimentelles an sich: der Kontrast zweier höchst unterschiedlicher Komponisten unter Vermeidung epischer Längen — und doch nicht Oper light, sondern in unvertrautem Gewand. Denn diese Musik war nicht gerade für die Orgel konzipiert.

Den großen Antipoden der Oper — die sich im Leben nie begegnet sind — widmete der Herzogenauracher Organist und Musikwissenschaftler Gerald Fink ausführliche Vorträge. Beide Komponisten verstanden sich als Patrioten, die in der Epoche der nationalen Einigung ihrer Vaterländer durchaus bewusst hierzu komponierten; beide waren auf ihre Weise gläubig, wenn auch sehr kirchenkritisch eingestellt; beide komponierten auch geistliche Musik (Wagners „Liebesmahl der Apostel" steht im Schatten von Verdis Requiem), und beide griffen in ihren Opern gerne auf katholische Litaneien zurück.

Anstatt nun abwechselnd Wagner und Verdi zu spielen, hatten sich Gerald Fink und die Sopranistin Karin Kraus dafür entschieden, jeden für sich zu Gehör zu bringen und dazwischen eine Pause einzulegen. Ein weiser Entschluss, denn zu unterschiedlich sind Gestus und Wirkung, selbst im Medium der Kirchenorgel.

Nach der instrumentalen Einstimmung aus „Meistersingern" und „Rienzi" brachte Karin Kraus das Gebet der Elisabeth aus dem „Tannhäuser" mit starkem Vibrato zu Gehör. Auch Elsas Traum aus „Lohengrin“ litt ein wenig unter dem Pathos des Gesangs, dem der intime Rahmen einer Dorfkirche nicht gewachsen war, auch wenn Kraus in diesem Fall die lyrischen Elemente betonte. Wohingegen Gerald Fink mit dem populären Brautmarsch keine Probleme hatte und die „Siegesweise" ihre Wurzeln aus der Kirchenmusik nun wirklich nicht mehr verleugnen konnte.

Kommt Giuseppe Verdi nun mit dem Pathos einer sizilianischen Racheoper? Überraschung: Fink und Kraus stiegen mit einer verblüffend aggressiven Einstimmung in „Aida" ein und gestalteten das „Ritorna vincitor" zu einem mitreißenden Duett aus Singstimme und Orgel. Der gefährlich populäre Gefangenenchor aus „Nabucco", auf der Orgel allein dargeboten, kam dagegen arg schleppend und zurückhaltend herüber, es fehlte der Hoffnungsschimmer. Halten wir den Gefangenen zugute, dass sie zu lange im Kerker schmorten.

Trost im Gebet

Den Höhepunkt erreichten Fink und Kraus aber mit dem Gebet der Desdemona aus „Otello", einer wahren Achterbahn seelischer Stimmungen zwischen andächtiger Versunkenheit, nagenden Zweifeln, überraschenden Gefühlsausbrüchen, Rückkehr in den Trost des Gebets — und doch unterfüttert mit dem ständig lauernden Gefühl des drohenden Verhängnisses. Hier ergänzten sich Karin Kraus’ lyrischer Sopran und Finks behutsam ausgesuchte Orgelfarben aufs beste.

Runde zwei vorbei, Sieger nach Punkten: Giuseppe Verdi.

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