Tigermücke

Experte: "Fürth wird die Tigermücke nicht mehr los werden"

12.6.2021, 06:00 Uhr
Eine Spezialfirma hat kürzlich die Fürther Südstadt auf der Suche nach Brutstätten durchkämmt.  

© Tim Händel, NN Eine Spezialfirma hat kürzlich die Fürther Südstadt auf der Suche nach Brutstätten durchkämmt.  

Herr Kampen, warum wird Fürth die Tigermücke nicht mehr los?

Helge Kampen: In Fürth ist sie meiner Meinung nach zu spät entdeckt worden. Fürth ist aber ein Beispiel dafür, dass der Mückenatlas uns hilft, die Tigermücke aufzuspüren. 2019 haben wir innerhalb kürzester Zeit sechs Mücken von drei Personen aus derselben Siedlung zugeschickt bekommen. Ich bin damals im September 2019 nach Fürth gefahren. Die Einsender berichteten, dass sie das Problem bereits den ganzen Sommer gehabt hätten. Die Betroffenen wohnten in der Nähe der Kleingartensiedlung.


Kampf den Tigermücken: Fürth will Insekten an den Kragen


Wieso eigentlich ausgerechnet der Kleingarten?

Kampen: Friedhöfe und Kleingartenanlagen sind ganz generell besonders beliebte Plätze für Mücken, weil sehr viel Wassergefäße rumstehen. Das lieben Tiger- und Hausmücken. Es reicht eine kleine Unterschale von einer Pflanze oder eine Vogeltränke oder eine Pfütze in einer Plastikplane als Brutstätte für die Insekten.

Experte:

© Friedrich-Loeffler-Institut

Was war ihr Eindruck vor zwei Jahren bei der Ortsbegehung?

Kampen: Wir haben sofort gesehen, dass die Tigermücke dort ein Paradies gefunden hatte. Eine Parzelle zum Beispiel war völlig zugemüllt. Da haben sich im Müll überall kleine Wasserlachen gesammelt, wo die Mücke wunderbar ihre Eier ablegen konnte. Wir haben dann vor Ort aufgeklärt, was zu tun ist. Vermüllte Parzellen aufräumen, Gefäße regelmäßig leeren, Wasserbottiche behandeln, regelmäßig leeren oder mit einem sehr engmaschigen Netz überspannen. Als wir dann im September 2020 allerdings wieder kamen, war im Grunde alles wie vorher. Es hatte sich nichts geändert oder verbessert.

Was ist die Konsequenz daraus?

Kampen: Die Stadt Fürth wird die Tigermücke nicht mehr los werden und sich dauerhaft mit der Mücke beschäftigen müssen - noch über Jahre hinweg. In Erding zum Beispiel wurde vonseiten der Stadt sofort reagiert und unsere Empfehlungen umgehend umgesetzt. Dort ist die Tigermücke nach nur einer Saison wieder verschwunden.

Sehen Sie da auch Versäumnisse vonseiten der Stadtverwaltung?

Kampen: Nein, nicht unbedingt. Die Mücken-Problematik ist in Deutschland noch relativ neu. Früher gab es Malaria in Deutschland, sogar noch bis nach dem Zweiten Weltkrieg. Da ist man dann massiv gegen angegangen und hat Expertise und Strukturen geschaffen, um Erreger und Krankheit zu bekämpfen. Jetzt hatten wir jahrzehntelang keine Probleme mit Krankheiten, die durch Stechmücken übertragen werden. Die Expertise von damals ist verloren gegangen und ebenso die Strukturen. Das ist jetzt das Problem. Nun muss in den Kommunen erstmal geprüft werden, wer zuständig ist. Wenn eine Zuständigkeit gefunden wurde, fehlt aber das Wissen, wie vorgegangen werden muss. Da war Fürth ein Paradebeispiel.

Ein negatives oder ein positives Paradebeispiel?

Kampen: Es ist ja nicht so, dass die Fürther die Tigermücke nicht bekämpfen wollten. Es mussten aber erst einmal Strukturen geschaffen werden. Erst dieses Jahr konnte die Stadt richtig Geld in die Hand nehmen, um die Tigermücke bereits vor Beginn der Mückensaison zu bekämpfen. Und dieses Budget wird sie noch auf Jahre bereit stellen müssen. Da hätte man vielleicht sparen können, wenn man sofort reagiert hätte. Die Priorität in den Städten mit Tigermücken ist aber auch sehr unterschiedlich. In Jena zum Beispiel gibt es schon viel länger Tigermücken, da wird bis heute überhaupt nichts gemacht

Fühlen Sie sich dann nicht manchmal demotiviert in Ihrer Arbeit?

Kampen: Nein. Mittlerweile ist das Thema viel mehr in den Köpfen der Stadtspitzen angekommen. Die Akzeptanz für das Thema und das Bewusstsein für die Brisanz steigt langsam. Es ist also nicht hoffnungslos. Aber wie in anderen Bereichen, ist Infektionsschutz Ländersache. Da ist die föderalistische Struktur eher hinderlich. In Holland gibt es eine zentrale Institution, die im Ministerium angesiedelt ist. Da muss nichts mit Ländern besprochen werden. Die Regierung liefert sozusagen die Struktur und die Expertise. Das funktioniert dort besser. Dazu kommt eine Gesetzeslücke im deutschen Gesetz. Im Infektionsschutzgesetz ist nur von Krankheitserregern die Rede, nicht von -überträgern. Dann gäbe es mehr Handhabe.


Nach wie vor können Fürther tote, gut erhaltene Mückenexemplare aller Art an das Institut schicken:
Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF) e.V
AG Biodiversität aquatischer und semiaquatischer Landschaftselemente
Eberswalder Straße 84m
15374 Müncheberg

2 Kommentare