Fürth im Weltkrieg

17.10.2014, 13:00 Uhr
Fürth im Weltkrieg

© Foto: Pfrogner

Das Ausstellungsstück, das den Museumsleiter am meisten bewegt, ist zugleich eines der kleinsten. Martin Schramm zeigt auf eine Brosche, die das vergilbte Foto eines jungen Fürthers fest umschließt: Leonhard Billmann hatte wenige Wochen vor Kriegsausbruch seine Elisabetha vor den Traualtar geführt; zwei Monate später lag er tot auf einem Schlachtfeld. Obwohl sie später wieder heiratete, trug die Witwe das Schmuckstück mit dem Foto, bis sie 1973 starb.

Fürth im Weltkrieg

© Pfrogner

Die Brosche ist nur eines von 300 Ausstellungsstücken, die ab Samstag im Stadtmuseum zu sehen sind. Zum Teil handelt es sich um Leihgaben anderer Museen, der Rest kam von den Bürgern. Museumsleiter Schramm hatte die Fürther bereits 2013 via FN dazu aufgerufen, in Kellern und Dachböden zu stöbern.

Über 40 Menschen liehen dem Museum daraufhin teils sehr persönliche Erbstücke. Die Brosche etwa. Aber auch die Nachlasskiste eines Zirndorfers, der 1918 gefallen ist. Die Familie bekam den Koffer mit seinen Habseligkeiten wie Briefen, Bajonett, Mütze sowie einigen Souvenirs aus Orten in Frankreich und Belgien von der Front zurückgeschickt – und hob sie unverändert auf.

Schramm und seinem Team ging es aber nicht allein darum, Einzelschicksale nachzuzeichnen, sondern darzulegen, wie der Waffengang eine ganze Stadt verändert hat: „Was ist vor, während und nach dem Krieg in Fürth passiert?“ Mit dieser Frage habe sich die Fürther Heimatforschung bislang wenig beschäftigt.

Mit Dokumenten, Fotos und vielen anderen Objekten veranschaulicht das Museum den Abstieg, den die Stadt durch den Krieg erleiden musste. Schramm zufolge hat Fürth bis heute nicht mehr den Reichtum jener boomenden Industriestadt erlangt, in der um die Jahrhundertwende Bauwerke wie Stadttheater, Berolzheimerianum, Feuerwache, Amtsgericht und Kurbad errichtet worden sind. Weil deutsche Waren nach dem Krieg im Ausland kaum noch gefragt waren, brach die exportorientierte Fürther Wirtschaft in sich zusammen.

Während des Kriegs hatten es die Betriebe aber rasch geschafft, auf Rüstungsproduktion umzustellen, um zu überleben. Das Möbelunternehmen Münch stellte nun Feldwagen, also Pferdefuhrwerke her. Gefechtsmunition wurde nicht nur in Stadeln produziert, sondern auch in der Schwabacher Straße, wo bei einer Explosion 47 Arbeiterinnen starben.

In Turnhallen und Schulhäusern, etwa an der Maistraße, entstanden Lazarette. Rezeptsammlungen wie „Das kleine Kriegskochbuch“ zeigten den Fürthern, wie man aus Steckrüben und Kartoffeln halbwegs abwechslungsreiche Gerichte zubereiten konnte. Kaffee wurde aus Eicheln gekocht, Öl aus Obstkernen gepresst, und aus Brennnesseln fertigte man Nesseltuch – ein Ersatz für Stoff. Zu erfahren ist das und noch viel mehr in der Rubrik „Heimatfront“. Der zweite Teil der Ausstellung heißt „Front“, zu sehen ist unter anderem ein Maschinengewehr Modell 08/15, von dem sich die heute noch genutzte Redensart ableitet.

2000 Fürther fielen im Krieg, laut Schramm ließ etwa jeder dritte Frontsoldat sein Leben. Das betraf auch die SpVgg Fürth. Aus der Meisterelf von 1914 kamen vier Spieler um. Gut nachvollziehen lässt sich anhand der Schau, wie die anfängliche Euphorie in pure Not und Kriegsmüdigkeit umschlägt. Als das jahrelange Abschlachten im November 1918 ein Ende findet, notiert ein Fürther an der Front ins Tagebuch, es sei aus deutscher Sicht zwar kein ehrenvoller Friede, jetzt aber freue er sich auf sein „zukünftiges Lebensglück an Bettys Seite“. Und fast schon entschuldigend für seinen erlahmten Kampfgeist fügt er an: „Dem Vaterland hab’ ich wahrlich genug und gern geopfert. Jetzt bin ich mal Egoist.“

Fürth und der Erste Weltkrieg, vom 18. Oktober bis 12. April im Stadtmuseum Ludwig Erhard.

Keine Kommentare