Fürther "Fidelio" m Dunkel syrischer Gefängnisse

14.7.2016, 12:30 Uhr
Fürther

© Foto: Hans Winckler

Das mit vielen Gewaltopfern und Flüchtlingen besetzte Expat Philharmonic Orchestra unter der Leitung des kurzfristig eingesprungenen Markus Merkel, (Kinder-)Chormitglieder der Staatsoper Berlin sowie des Stuttgarter und Nürnberger Staatstheaters machten sich mit hochkarätigen Solisten ans Werk. Die seit jeher problematischen Zwischendialoge wurden durch eingeblendete Informationen zur Handlung ersetzt, ergänzt durch Texte und Projektionen des Regisseurs Anis Hadoun über das Leben in seiner Heimat — und die heißt Syrien.

Wenn Florestan, der den despotischen Gouverneur Pizarro stürzen wollte und nun im Kerker auf sein Leben zurückblickt („Wahrheit wagt ich kühn zu sagen, und die Ketten sind mein Lohn“), dann wird die aktuelle Situation im Mittleren Osten erschütternd konkret. Diese Zusammenhänge sind es, die den Abend weit über eine normale Aufführung hinausheben.

Barbara Krieger — kleine Statur, große Stimme — ist eine Leonore-Sängerdarstellerin, die mit ihrem dramatischen Sopran, aber auch mit den wenigen bei einer konzertanten Aufführung zur Verfügung stehenden szenischen Mitteln dieser Rolle viel Ausdruck verleiht. Ergreifend, wenn sie Pizarro ihre Mütze vor die Füße wirft und sich so als leidenschaftliche Retterin ihres Mannes zu erkennen gibt. Ein Heldentenor mit einer Stentorstimme par excellence ist Ünüsan Kuloglun als Florestan, der nicht nur in seiner Kerkerarie „Gott! Welch Dunkel hier!“ diese Partie hervorragend meistert. Seinen Gegenspieler Pizarro legt Tuncay Kurtoglu auch vom Outfit her als fiesen Bösewicht mit wuchtigem Heldenbariton an, während Tobias Schnabel den allzu naiven Kerkermeister Rocco mit sonorem Bass-Wohllaut versieht.

Deutlich über das Soubrettenfach hinaus gestaltet Narine Yeghian mit ihrem schon ins Dramatische weisenden Sopran die in Fidelio verliebte Marzelline, während ihr Verlobter Jaquino (Bassem Alkhouri) mit einer schönen lyrischen Tenorstimme aufwartet. Und auch die kleinste Rolle, die des Ministers Don Fernando, ist bei Gerard Kim in guten Händen.

Mit durchgehend forschen Tempi und einer auffallend orgiastischen Klangsteigerung im Finale hält Markus Merkel den Apparat aus Solisten, Chor und Orchester souverän zusammen; übrigens dirigiert er die ganze Oper auswendig, eine seit Karajans Zeiten wohl nur höchst selten erbrachte Glanzleistung.

Zum frenetischen Schlussbeifall gab es für das Orchester noch eine wohl einmalige Überraschung: Der Fürther Komponist Uwe Strübing überreichte dem Expat Philharmonic Orchestra die Orchesterpartitur seines extra zu diesem Anlass komponierten Werkes „Carissimo“.

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