Fürther, im Sterben behütet

16.5.2020, 21:00 Uhr
Fürther, im Sterben behütet

© Foto: Oliver Berg/dpa

Herr Dr. Hanke, wegen der Corona-Pandemie wird zurzeit viel mehr übers Sterben geredet als sonst. Ist das eigentlich in Ihrem Sinn?

Ja (zögert), weil das Sterben im Bewusstsein der Bevölkerung als etwas Selbstverständliches ankommen sollte. Es macht dann weniger Angst, und so bleibt mehr Platz für das Lebendigsein. Wenn sich ein Schwerstkranker mit dem Tod, der irgendwann einmal kommt, aussöhnt und seine Angelegenheiten regelt, sich mit Partner und Kindern ausspricht, dann drückt ihn nicht mehr die übervolle Schublade seines Lebens. Wir erleben regelmäßig, dass die Menschen dann noch einmal aufblühen. Im Gegensatz dazu gibt es Menschen, die ewig hadern, und das kann sehr belastend sein.

 

Der Hospizverein finanziert sich über Spenden und begleitet seit 30 Jahren Menschen in ihrer letzten Lebensphase. Was war Ihrer Ansicht nach in dieser Zeit die größte Errungenschaft für die Patienten?

Das waren die stationären Hospizappartements in einem Zirndorfer Altenheim, die es leider nicht mehr gibt. Aber wir planen ja mit der Humanistischen Vereinigung eine Hospizstation.

 

Fürther, im Sterben behütet

© Foto: Hans-Joachim Winckler

Wie weit sind Ihre Planungen?

Wir haben mögliche Standorte in Cadolzburg und Zirndorf im Blick. Für März hatte das Ministerium für Gesundheit und Pflege einen Termin mit Kassenverbänden und Mitbewerbern angesetzt. Dann kam die Corona-Krise dazwischen, und das Treffen wurde auf unbestimmte Zeit verschoben.

 

Ihre Jubiläumsfeiern mussten Sie ja auch erst einmal streichen . . .

Ja, leider. Aber wir wollen sie selbstverständlich nachholen.

 

Begleitung am Lebensende braucht Nähe. Kamen Sie nach dem Shutdown überhaupt noch ran an Schwerstkranke?

Unsere Ehrenamtlichen haben telefonisch bzw. elektronisch Kontakt gehalten und waren sehr unglücklich darüber, dass sie die Menschen so fern erleben mussten. Zum Glück dürfen wir inzwischen wieder in Haushalten und Pflegeheimen sowie im Klinikum tätig sein.

 

Tatsächlich starben Bewohner von Seniorenheimen während des Besuchsverbots einsam. Was haben Sie da mitbekommen?

Unser dritter Vorsitzender, der katholische Dekan André Hermany, durfte die Sterbesakramente in einem Fall nur vom Garten eines Altenheims aus spenden. Sich das nur vorzustellen, tut weh.

 

Das Herz des Hospizvereins sind rund 100 Ehrenamtliche. Was treibt Menschen an, sich dieser schweren Aufgabe zu widmen?

Ich denke, es ist die Liebe den Menschen gegenüber. In ihrer Ausbildung zu Hospizbegleitern sprechen die Ehrenamtlichen oft über positive oder negative persönliche Erfahrungen mit dem Sterbeprozess von Angehörigen oder Freunden. Sie wollen Kraft, die sie übrig haben, einbringen, um anderen einen behüteten, versöhnlichen Tod zu ermöglichen.

 

Wie gesagt: Der Hospizverein wird 30, das Palliativ-Care Team wird zehn Jahre alt. Warum musste das eigentlich gegründet werden?

Die Hospizarbeit findet immer ganzheitlich statt. Sie umfasst die psychische Begleitung, etwa das Auffangen von Trauer und Depressionen, die spirituelle Unterstützung bei der Suche nach Antworten auf Fragen nach dem Warum, aber auch soziale Hilfen. Ein Beispiel: Manche Menschen trauen sich nicht zu sterben, weil sie ihren Kindern keine Schulden hinterlassen wollen. Wir sprechen dann mit den Schuldnern, kontaktieren Hilfsaktionen wie "Freude für alle" und versuchen so, bei der Entschuldung zu helfen. Schließlich aber gibt es noch einen vierten Aspekt der Hospizarbeit, die körperliche Unterstützung . . .

 

. . . und da stoßen Ehrenamtliche an ihre Grenzen . . .

Ja, denn sie dürfen nicht pflegerisch und medizinisch tätig werden. Deshalb entstand 2010 mit dem Palliativ-Care Team eine hochspezialisierte Gemeinschaft von Ärzten und Pflegekräften, die nur nach Verordnung durch den Haus- oder Klinikarzt arbeitet und die ausschließlich durch die Krankenkassen finanziert wird. Das Palliativ-Care Team Fürth, das Sterbenden in der ambulanten Versorgung mit Schmerztherapie und psychosozialer Betreuung viel Leid abnimmt, war Vorreiter in Bayern. Es organisiert zusammen mit Hausärzten, Pflegediensten, Seelsorgern und Psychologen die Lebenssituation im Sterben.

 

Pflegekräfte werden in diesen Wochen von allen Seiten gelobt. Was meinen Sie: Wie nachhaltig ist diese Anerkennung?

Ich wünsche mir aus vollem Herzen, dass sie nachhaltig ist. Aber spätestens, wenn es um eine solide Finanzierung der Pflegekräfte geht, habe ich meine Zweifel.

 

Viele Stimmen fordern eine deutlich bessere Bezahlung des Pflegepersonals . . .

Die ist auch notwendig, aber das ist nicht der Kern. Der Beruf ist unattraktiv geworden, weil die Dokumentation des Pflegeprozesses vor der aktiven Pflege am Menschen steht.

 

Sie sind Jahrgang 1954 und an sich im Rentenalter. Was haben Sie mit dem Hospizverein und dem Palliativ-Care Team noch vor?

Ich möchte gerne weiter als Palliativmediziner arbeiten und parallel Nachfolger aufbauen.

 

Was wünschen Sie sich für Ihren Tod, wenn es so weit ist?

Ich wünsche mir, dass ich ruhig und ohne viel Aufsehen sterben darf. Mit meinem Tod habe ich mich versöhnt.

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