Geballter Bürgerprotest gegen XXL-Gewächshäuser

12.7.2020, 21:00 Uhr
Geballter Bürgerprotest gegen XXL-Gewächshäuser

© Foto: Heinz Wraneschitz

Wenn in einer Stadtratssitzung von "Pizzapause" die Rede ist, dann müssen besondere Umstände vorliegen. So war es am Donnerstagabend um 21 Uhr im Ferienausschuss, der in Corona-Zeiten in verkleinerter Form den Stadtrat ersetzt. Denn dessen sieben Ratsmitglieder plus Bürgermeister Jürgen Habel (CSU) waren bereits seit über vier Stunden unterwegs. Sie wollten sich selbst vor Ort einen Überblick über ein Gewächshausprojekt verschaffen, das in Keidenzell nicht nur die dortigen Dorfbewohner auf die Barrikaden treibt.

Johann Peter von der AKG Agrar Kompost GmbH Roßtal plant, wie mehrfach berichtet, gemeinsam mit dem Gemüsebauernbetrieb Höfler GbR aus dem Nürnberger Knoblauchsland im 300-Einwohner-Ortsteil Keidenzell ein Gewächshaus für Bio-Gemüse mit 61 500 Quadratmetern. Um das zu beheizen, soll nahe der seit 15 Jahren bestehenden AKG-Bioabfallvergärung eine Anlage gebaut werden, die "6000 Tonnen holzige Brennstoffe jährlich" verwertet. Die Technik – ob Heizkraftwerk mit Stromproduktion oder Heizwerk, sprich reine Verbrennung – steht noch nicht fest, so Johann Peter gegenüber den FN.

Die Initiatoren sehen das Glashaus als "innovatives, zukunftsgerichtetes Vorzeigeprojekt, das bundesweit Anerkennung erhalten wird und seinesgleichen sucht". Für die Kritiker ist es dagegen: "Eine Agrarfabrik für Industriegemüse" – "Müllverbrennung am Dillenberg" – "Und Bio schon gar nicht". Sprüche wie diese sind auf Tafeln in ganz Keidenzell zu lesen.

Am Nachmittag hatten die Keidenzeller einen Demo-Spaziergang organisiert und waren mit Transparenten und Plakaten zur Biogasanlage am südlichen Ortsrand gezogen. Denn dort, hinter verschlossenem Tor, hatte sich jener Stadtratsausschuss zur nicht-öffentlichen Sitzung getroffen. Gesprächspartner war AKG-Geschäftsführer Johann Peter.

Kein Wunder, dass unter den Demonstranten das Gerücht die Runde machte, es sei ohnehin schon alles genehmigt. Dem tritt auf Nachfrage Christian Ell entgegen, Sprecher des Landratsamts und damit der Baugenehmigungsbehörde: "Uns liegt noch kein Bauantrag vor." Außerdem "würden auch in diesem Fall die Träger öffentlicher Belange gehört", auch wenn bäuerliches Bauen – dazu zählen Gewächshäuser auf Flächen im Außenbereich – gesetzlich privilegiert sei.

Die Demo-Plakate waren an diesem Tag noch ein zweites Mal zu sehen: vor dem Alten Rathaus am Prinzregentenplatz in Langenzenn. Hier hatten sich die Keidenzeller mit einigen Bewohnern aus dem Ortsteil Hardhof verabredet. Auch dort soll ein Mega-Gewächshaus entstehen, diese Pläne verfolgt ein anderer Nürnberger Gemüsebauer. Gut 100 Menschen wollten den Stadtratsmitgliedern, die sich zum öffentlichen Teil der Ferienausschusssitzung hier einfinden wollten, einen lautstarken Empfang bereiten.

Um zirka 18 Uhr sollte das sein. Doch die Demonstranten mussten fast bis 19 Uhr ausharren, bis sie Bürgermeister Habel zu einem Statement auffordern konnten. "Bitte stehen Sie hinter uns Bürgern", hatte Initiativen-Sprecher Albert Goos ihn gebeten. Doch Habel antwortete: "Wir im Stadtrat haben hier wenig zu entscheiden."

Stadt kann Entwicklung steuern

Was Stadtbaumeister Anton Meier später in der Sitzung von sich gab, hörte sich anders an. Denn die Kommune könne sehr wohl "eine Steuerung und Platzierung von privilegierten Bauvorhaben im Gemeindegebiet vornehmen". Wenn auch "in engem Rahmen. Und es ist kein Standardvorgang", wie er einschränkte. Grundvoraussetzung sei natürlich auch "der politische Wille der Stadt, überhaupt in diese Richtung zu gehen". Keidenzeller Bürger hatten genau diese Ausweisung von Konzentrationsflächen im Flächennutzungsplan gefordert.

Vier Tagesordnungspunkte zur Thematik "Gewächshäuser" hatte der Ausschuss abzuarbeiten. Die SPD-Fraktion hatte die Verwaltung aufgefordert, "Stellungnahmen verschiedener Gruppierungen zum Projekt Keidenzell" einzuholen. Von den Grünen gab es einen Antrag zu einer Bürgerversammlung und/oder einer öffentlichen Stadtratssitzung.

Für eine Sondersitzung – terminiert auf den 23. Juli – werden nun neutrale externe Berater eingeladen. Mit Meiers Ausführungen war nämlich keine der Ratsfraktionen zufrieden. Der Stadtbaumeister habe nur das vorgetragen, was die Projektinitiatoren im letzten Amtsblatt veröffentlicht hätten, so die Kritik von Alfred Jäger (FW). Birgit Osswald (SPD) ergänzte, weder die Grundwasserprobleme noch die Holzverbrennung seien ausreichend erklärt worden. "Wir wollen wissen: Wie weit geht unsere Entscheidungsbefugnis?", fragte die Grüne Margit Ritter, die mit diesen Worten einen konkreten Auftrag erteilte.

Den formulierte CSU-Sprecher Manfred Durlak als Antrag: Schnellstmöglich soll eine fachlich fundierte Kanzlei eingeschaltet werden. "Die CSU findet die beiden Gewächshäuser in Keidenzell und Hardhof überdimensioniert."

An der Sondersitzung sollen übrigens alle Stadtratsmitglieder teilnehmen, nicht nur die des Ferienausschusses. Diesem Antrag von FW- Mann Jäger stimmten alle Anwesenden zu. Da war es schon weit nach 22 Uhr – und die Pizza längst verspeist.

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