Glanzstück oder gescheitertes Projekt?

12.6.2010, 00:00 Uhr
Glanzstück oder gescheitertes Projekt?

Um es vorwegzunehmen: Das Fürthermare ist nicht pleite. Der Betrieb läuft munter weiter, und das offenbar nicht einmal schlecht. Zwar könnte dem Vernehmen nach der Spaßbadbereich mehr Besucher vertragen, dafür holt der Betreiber Vitaplan mit Sauna und Gastronomie Geld in die Kasse. »Unser Thermalbad zählt zu den zehn umsatzstärksten in ganz Deutschland«, sagt Rathauschef Thomas Jung – und er nennt erstmals Besucherzahlen: 350 000 waren es 2009, Tendenz steigend.

Um die Bedeutung des Bads herauszustreichen, bemüht Jung den Vergleich. Das Stadttheater werde jährlich von 100 000 Menschen besucht, das Stadion der SpVgg pro Saison von 150 000. »Das Fürthermare ist die am stärksten frequentierte Einrichtung in der Stadt«, lobt Jung.

Dennoch hat der Oberbürgermeister ein Problem. Der Stadt kommen die Bäder teurer zu stehen als geplant. Dabei war doch im Vertrag mit den privaten Partnern, die beim Bau des Fürthermare halfen bzw. den Betrieb der Bäder übernahmen, vertraglich festgezurrt worden, dass die Stadt 1,8 Millionen Euro jährlich beisteuert, was in etwa dem Defizit entspricht, das Fürth – Stand 2003 – ohnehin mit seinen Bädern erwirtschaftet hatte.

Kein Risiko

Keinen Cent mehr wollte man bei der Stadt bezahlen und warb mit dem Slogan »Mehr Bad fürs gleiche Geld« für den Bau des Thermalbads mit privater Hilfe. Zudem wollte die Kommune unter keinen Umständen das »Betreiberrisiko« tragen, wie OB Jung bereits im November 2003 gegenüber den FN sagte.

Doch es kam anders: Der Betreiber Vitaplan geriet nach der Übernahme der Bäder im Jahr 2006 schnell ins Straucheln. In dieser Zeit explodierten die Preise für Energie geradezu. Zwei schlechte Freibad-Sommer verschärften die Lage, zuvor musste das Hallenbad wegen Schäden und eines Brands für fast ein Jahr schließen. Vitaplan drohte in die Insolvenz zu schlittern. Dann sprang der städtische Energieversorger infra ein. 300 000 Euro wurden dem privaten Betreiber gestundet, weitere 900 000 Euro zugeschossen. Parallel dazu übernahm die infra die Regie in der Trägergesellschaft TFB (siehe »Zur Sache«). Auch wenn die Vitaplan Betreiber bleibt, wurden die Bäder damit – zumindest teilweise – rekommunalisiert.

Kritiker wie das Fürther Wasserbündnis betrachten das PPP-Projekt daher als »gescheitert« und stellen die bange Frage, wie viel öffentliches Geld die Bäder noch verschlingen werden. »Die Stadt hat in der Thermalbad-Euphorie die Entwicklung der Energiepreise verdrängt«, klagt beispielsweise Peter Lefrank, Sprecher des Fürther Wasserbündnisses.

Unerfüllte Hoffnungen

»Ich habe es mir nicht gewünscht, aber es ist genau das eingetreten, was ich befürchtet habe«, sagt CSU-Stadträtin Andrea Heilmaier, die im Vorfeld auf Risiken des PPP-Vertrags hingewiesen und am Ende auch dagegen gestimmt hatte. »Jetzt bleibt uns nichts anderes übrig«, klagt sie, »als noch mehr Geld zuzuschießen.«

Von einem Scheitern will man bei der Stadt und der infra jedoch nichts wissen. Schließlich arbeite man nach wie vor mit einem privaten Betreiber zusammen. Aus gutem Grund: »Die infra könnte das Thermalbad nie so führen wie Vitaplan«, sagt Jung – weil man keinerlei Erfahrung mit dem Betrieb einer Saunalandschaft und mit hochwertiger Gastronomie habe.

Im Übrigen habe man damals durchaus Preissteigerungen bei der Energie von zwei bis drei Prozent einkalkuliert. Niemand habe aber mit derartigen Sprüngen rechnen können. Statt 900 000 Euro wie gedacht, müsse die Vitaplan nun in allen Bädern 1,5 Millionen Euro für Energie aufwenden.

Infra-Chef Hans Partheimüller und OB Jung werden nicht müde zu betonen, dass das Thermalbad Gewinn erwirtschaftet. »Die Umsatzerwartungen für 2008 und 2009 wurden fast zu 100 Prozent erreicht«, sagen sie. Allerdings sei ihre Hoffnung nicht erfüllt worden, dass »der Betriebsüberschuss des Fürthermare das Defizit der alten Bäder ausgleicht«. Diese Differenz liege bei 600 000 Euro.

Guter Beitrag

Jung hält sogar am Slogan »Mehr Bad fürs gleiche Geld« fest. Seine Begründung: Auch wenn das Thermalbad nie gebaut worden wäre, müsste die Stadt nun wegen der allgemeinen Kostenentwicklung viel mehr als früher für ihre Bäder aufwenden. Jung kommt in seiner Rechnung auf 2,75 Millionen Euro; einkalkuliert sind 600 000 Euro Zins und Tilgung, die die Stadt bedienen müsste, hätte sie das Sommerbad selbst saniert. Das Fürthermare indes trage mit seinem Überschuss dazu bei, das Defizit zu verringern.

Dennoch muss die Kommune in den kommenden Jahren mehr als die veranschlagten 1,8 Millionen in die Hand nehmen. Mit 2,6 Millionen rechnet die infra. Der städtische Haushalt werde allerdings nicht zusätzlich belastet. Für den Differenzbetrag steht die infra gerade. Im Endeffekt wird dadurch aber doch das Stadtsäckel geschmälert: Muss die infra mehr Geld ausgeben, sinkt der Gewinn, den sie Jahr für Jahr erwirtschaftet und an die Stadt überweist.

Trotz allem sehen die Verantwortlichen keinen Grund in Sack und Asche zu gehen. »Unser einziger Fehler war, dass wir zu gut verhandelt haben«, sagt Partheimüller. Indem man der Vitaplan lediglich 1,8 Millionen Euro Zuschuss zugestanden habe, habe man sie an den Rand des Abgrunds gebracht. »Wir hätten das Ganze indexieren müssen«, meint der infra-Chef rückblickend. Will heißen: Der Zuschuss hätte in dem Maße wachsen müssen, wie die Energiepreise stiegen.

»Wir hatten keine andere Wahl, als Vitaplan beizuspringen«, sagt Wolfgang Greul, bei der infra für die Bäder zuständig. Was wäre die Alternative gewesen? Man hätte einen neuen Betreiber suchen müssen, »doch zu diesen Konditionen hätte das kein anderer gemacht«. Zudem wäre der Imageverlust bei einer Insolvenz und damit verbundenen Schließung beträchtlich gewesen.

Veränderte Bedingungen

Einen Vorwurf will Greul keinem der privaten Partner machen. »Niemand hat hier schlecht gearbeitet, auch Herr Kiesel von Vitaplan macht seine Sache gut.« Schuld an dem Dilemma hätten allein die »veränderten Rahmenbedingungen«, so Greul, der das Projekt als »Opfer der Rohstoffspekulanten« sieht und darauf verweist, dass andere Städte mit ihren Bädern ebenfalls schwer getroffen wurden. Erlangen habe im Frühjahr mit Verweis auf die Energiekosten die Eintrittspreise zum Teil drastisch erhöht. Das Europabad der Stadt Karlsruhe, ein Erlebnisbad, das – ohne private Partner – zeitgleich mit dem Fürthermare gebaut worden war, fuhr 2008 einen Millionenverlust ein.

In Fürth ist man optimistisch, »die Verluste der Bäder zurückschrauben zu können«. Dafür sprechen laut Jung die steigenden Besucherzahlen im Fürthermare. Zudem will man nun endlich das Obergeschoss des Thermalbads, das sich immer noch im Rohbau befindet, ausbauen. Hier könnte ein »anspruchsvolles Fitness-Center« einziehen.

Das klingt alles schön und gut, heißt es beim Wasserbündnis. Nachprüfbar seien die genannten Zahlen jedoch nicht. »Bislang wurde weder eine Kostenrechnung noch der PPP-Vertrag offengelegt«, sagt Sprecher Lefrank. Dass die Verträge auf Grund des privatwirtschaftlichen Charakters geheim sind, ist für ihn und andere Kritiker eines der größten Ärgernisse. »Auch wir Stadträte bekommen kaum belastbare Zahlen«, sagt Andrea Heilmaier. Für Peter Lefrank kommt das einer Entmachtung des Gremiums gleich.

In einem Boot

Lefrank will der infra gar nicht absprechen, dass sie den kommunalen Zuschuss in den kommenden Jahren in Grenzen halten kann. Doch was ist, wenn das Thermalbad einmal 15 oder 20 Jahre alt ist und möglicherweise an Attraktivität verloren hat?, fragt er. »Wie es in Zukunft aussieht, können wir jetzt natürlich noch nicht sagen«, räumt der Oberbürgermeister ein.

Aber genau das ist das Problem, finden Lefrank und Stadträtin Heilmaier. »Stadt und infra sitzen jetzt im Boot und müssen alles tun, damit das Bad betrieben wird«, sagt Heilmaier. Laut Vertrag müsste die Stadt die 1,8 Millionen sogar zahlen, wenn das Bad leer steht. »Wir tragen das Risiko, und da kommen wir jetzt 30 Jahre lang nicht raus.«