Jüdisches Museum: Wie eine VR-Brille Zeitreisen möglich macht

22.10.2020, 11:00 Uhr
Jüdisches Museum: Wie eine VR-Brille Zeitreisen möglich macht

Mehr als 80 Jahre nach deren Zerstörung erweckt das jüdische Museum Fürth die Altschul wieder zum Leben. Die damals größte und bedeutendste Synagoge der Stadt wurde in der Reichsprogromnacht 1938 durch einen gezielten Angriff zerstört und war gänzlich ausgebrannt.

Um das ehemals überwiegend jüdische Stadtbild Fürths wieder zu beleben, arbeitet das Museum seit 2018 daran, das historische Areal des Schulhofs – das damals jüdische Zentrum – zu rekonstruieren. Vergangenes Jahr wurde im Rahmen dieses Projektes bereits, wie berichtet, ein detailliertes 3D-Modell der Synagoge präsentiert.

Im nächsten Schritt wird das Gotteshaus nun aber im Wortsinn noch zugänglicher: Mit Hilfe einer immersiven Virtual-Reality-Tour ist die Altschul jetzt nach 80 Jahren virtuell komplett begehbar. Die Tour wurde in Zusammenarbeit mit dem Lehrstuhl für Judaistik der Otto-Friedrich-Universität Bamberg sowie dem Lehrstuhl für Geovisualisierung der FHWS Würzburg gestaltet.

Die Synagogal-Orgel spielt

Einzig eine VR-Brille braucht es nun also, um sich im Museum in das Jahr 1900 zu transportieren und das jüdische Leben in Fürth zu erkunden. Die Synagoge lässt sich auf eigene Faust erkunden oder durch ein eigens konzipiertes Hörspiel, das sich auf die Fersen von Lena begibt, eines jungen Mädchens, das selbst in die Vergangenheit reist und dort auf unterschiedlichste Menschen trifft.

An verschiedenen Infopoints erfährt Lena Wissenswertes über wichtige Persönlichkeiten der Fürther jüdischen Gemeinschaft, wie etwa die Stifterfamilie des Toravorhangs, oder soziologische Komponenten wie die Rolle der Frau im Judentum. An der virtuellen Orgel lassen sich Stücke abspielen, die anhand von Synagogal-Notenblättern aus der Vorkriegszeit eigens eingespielt wurden. Die Musik macht das durch die VR-Brille geschaffene Präsenzgefühl umso atmosphärischer.

Anhand von alten Fotografien und umfangreichen Forschungen wurden Details wie die Inschrift des Toravorhangs detailgetreu rekonstruiert. Andere Elemente, wie etwa Becken oder Verzierungen, wurden anhand von Forschungen über Synagogen und das jüdische Leben Anfang des 20. Jahrhunderts hinzugefügt.

Einzigartiges Projekt

Unter der Leitung von Museumsdirektorin Daniela Eisenstein, die die Innovation am Wochenende vorstellte, ist ein bisher einzigartiges Projekt gelungen. Ein heute fast unsichtbarer Ort wird durch moderne Technologie wieder sichtbar. Virtuelle Begehungen historischer Orte – wie beispielsweise auch das Amsterdamer Anne-Frank-Haus – rücken immer mehr in die Mitte der Gesellschaft, eröffnen Historikern neue Wege für die Wissensvermittlung – und barrierefrei sind sie außerdem.

Das neue Projekt des Jüdischen Museums Franken ist die weltweit erste immersive und interaktive Virtual-Reality-Begehung einer Synagoge und wird ab Mai 2021 in die Dauerausstellung des Hauses integriert.

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