Rund 6.000 Teilnehmer

Klare Worte und flammende Appelle: Fürth bezieht Stellung gegen Rechtsextremismus

Johannes Lenz

Nordbayern-Redaktion

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26.1.2024, 22:14 Uhr
Tausende Menschen haben sich in der Fürther Innenstadt eingefunden, um gegen Rechtsextremismus zu demonstrieren.

© NEWS5 Tausende Menschen haben sich in der Fürther Innenstadt eingefunden, um gegen Rechtsextremismus zu demonstrieren.

Pünktlich um 17 Uhr öffnet der Himmel über Fürth seine Schleusen. Zu Beginn der Demonstration "Wir halten zusammen: Fürth gegen Rassismus" ergießt sich minutenlang strömender Regen über die Menschenmenge am Grünen Markt. Dem Zulauf tut das keinen Abbruch: Unter großem Jubel der Anwesenden verkündet ein Sprecher des Fürther Bündnisses gegen Rechtsextremismus und Rassismus, dass sich nach Angaben der Polizei bereits rund 3.000 Menschen eingefunden hätten.

Etwa eine Stunde lang sprechen mehrere Gastgeber auf dem Grünen Markt zur Menge, bevor sich die Demonstrierenden - nach Polizeiangaben in der Spitze 6.000 Menschen - zu Fuß auf den Weg durch die Gustavstraße und die Fußgängerzone in Richtung Fürther Freiheit zur Abschlusskundgebung macht.

"Herzensangelegenheit" für Jung

Als erster Gastredner tritt Oberbürgermeister Thomas Jung auf. Er verweist auf die Fürther Vergangenheit: "Wir hatten nie ein Ghetto, nie eine Stadtmauer" - die Stadt Fürth stehe historisch für Vielfalt und Toleranz. Dennoch dürften sich die Fürther darauf nicht ausruhen, sondern müssten "als Demokratinnen und Demokraten" wachsam sein. Jung spricht erstmals nach seiner erfolgreichen Herzoperation wieder in der Öffentlichkeit. Für ihn sei die Teilnahme an der Demonstration deshalb eine "Herzensangelegenheit im wahrsten Sinne des Wortes."

Mit Blick auf das Motto der Veranstaltung erzählt der Fürther Oberbürgermeister von seinen Erfahrungen während seiner Krankheitszeit. Er sei von einem multinationalen Team behandelt worden: "Hätten wir diese ausländischen Fachkräfte nicht, stünde ich heute nicht hier", sagte er dankend. Weiter führt er aus: "Ich weiß, dass uns diese Menschen und ihre Stärken voranbringen, wir müssen für jeden dankbar sein." Die Tatsache, dass viele Menschen aus Protest die AfD wählen würden, müsse die Gesellschaft "als Herausforderung begreifen." Jung betont deshalb die Wichtigkeit der inneren und sozialen Sicherheit und des Staates.

Kleeblatt-Duo mit klaren Worten

Als Nächstes betritt Rachid Azzouzi, Geschäftsführer Sport der Spielvereinigung Greuther Fürth, die Bühne. Azzouzi erzählt von seiner persönlichen Vergangenheit: In Marokko geboren und im Alter von zwei Jahren mit seiner Mutter nach Deutschland ausgewandert, habe er schon in jungen Jahren Erfahrungen mit Alltagsrassismus gemacht. In der aktuellen Zeit habe Azzouzi deshalb Angst um seine eigenen Kinder. Dass der Nationalismus in Ländern wie den Niederlanden oder Frankreich seit Jahren erstarkt, sei für ihn "ein deutlicher Hinweis, dass es für uns hier ungemütlicher wird."

Gerade deshalb sei es wichtig, dass noch mehr Menschen auf die Straßen gehen als bisher. Mann müsse zeigen, "dass wir Faschisten und Rassisten die Stirn bieten und nicht sagen, 'die kommen schon nicht an die Macht'". Den gleichen Fehler habe das Land schon einmal begangen. In Richtung AfD-Wähler findet Azzouzi klare Worte: "Wer für die AfD ist, kann nicht mein Freund sein. Wer für die ist, ist auch für deren Ideologie." Und wer diese Ideologie vertritt, habe in einer demokratischen Gesellschaft "nichts zu suchen".

Mit Geschäftsführer Holger Schwiewagner spricht ein weiterer Vertreter der Spielvereinigung zu den Protestierenden. "Fremdenfeindlichkeit und Ausgrenzung haben im Ronhof keinen Platz", versichert er der Menge. In der Profimannschaft und dem Nachwuchsleistungszeitrum seien Spieler aus über zwanzig Nationen im Verein aktiv. "Das zeigt, dass es scheißegal ist, woher man kommt, solange man ein gemeinsames Ziel hat und für eine gemeinsame Sache eintritt", sagt Schwiewagner.

Rechtsextremismus sei deshalb "keine politische Haltung. Wer das behauptet, hat nichts zu suchen in unserem Land." Auch der Geschäftsführer des Kleeblatts richtet eine deutliche Botschaft ans rechte Lager: "Wir treten denen, die glauben, dass sie in der Mehrzahl sind, deutlich in den Arsch und zeigen, dass wir mehr sind."

Vielfalt statt Einfalt: Intendantin des Stadttheaters appelliert

Für Silvia Stolz, Intendantin des Fürther Stadttheaters, habe sich die Frage, ob sie an der Kundgebung teilnehmen wolle, gar nicht gestellt. "Wir alle haben das Gefühl, dass wir gehen müssen", fasst sie die Stimmung vieler Menschen zusammen. In ihrer Funktion als Kulturschaffende könne sie gar nicht anders, als vor den Protestierenden zu stehen. Gerade weil Kunst in der Zeit der Nationalsozialisten teilweise als "entartet" bezeichnet und für Propagandazwecke missbraucht wurde, hätten sie und ihre Kollegen eine "besondere Verantwortung, dass das nie wieder passiert."

Stolz berichtet, dass Rechtsextreme seit Jahren versuchen würden, Theateraufführungen zu stören, in Spielpläne einzugreifen und die Finanzierung für Kulturprojekte infrage zu stellen. Dabei hätten sowohl das Theater im Besonderen, als auch Kunst im Allgemeinen eine besondere gesellschaftliche Funktion: "Kunst hilft dabei, Demokratie zu erhalten. Und um nichts anderes geht es: Es geht um den Erhalt unserer Demokratie!"

Ohne internationale Künstler, Orchestermitglieder und Tanzensembles wäre der Spielplan nicht der gleiche. "Wir als Stadttheater stehen für Toleranz, Vielfalt, Gerechtigkeit und Freiheit", erklärt die Intendantin. Gerade Vielfalt sei ein zentrales Element - und das Gegenteil von Vielfalt sei Einfalt. "Lasst uns nicht einfältig sein", appelliert Stark deshalb an die Teilnehmer der Protestaktion.

"Bin nicht gekommen, um zu bitten" - 15-jähriger Geflüchteter erzählt

Zum Schluss der Auftaktkundgebung kommt ein junger Geflüchteter zu Wort: der 15-jährige Shamuhammad Stanakzai aus Afghanistan. Erst in seiner Heimatsprache, danach auf Deutsch, berichtet er von seinen Erfahrungen. Seit zehn Monaten sei Stanakzai in Deutschland. "Ein schönes Land", wie er findet, "ich bin mit offenen Armen begrüßt worden."

Sein Ziel sei es, eine "gute Ausbildung" zu machen. "Ich bin nicht gekommen, um zu bitten, sondern, um selbst etwas zu erschaffen", erklärt er. Auch, weil er in seiner Heimat keine Perspektive hat: "Manche sagen: 'Ausländer raus'. Aber wohin sollen wir? Ich kann nicht nach Afghanistan, ich bin dort in Gefahr", erzählt Stanakzai. In Deutschland könne er Teil einer bunten Gesellschaft sein - "wenn ihr mich lasst."