Kulturpalast Anwanden: Festival ist abgesagt

15.6.2020, 12:00 Uhr
Kulturpalast Anwanden: Festival ist abgesagt

© Foto: Berny Meyer

Alles war vorbereitet: Der Wolfgangshof war hergerichtet, die Technik betriebsbereit, WC-Container, Stühle und Bühne waren bestellt. Dann kam die Vorstandssitzung. An diesem Donnerstagabend beschlossen die Mitglieder des Vereins Kulturpalast Anwanden die Absage der Veranstaltung, die 80 Ehrenamtliche stemmen – vom Studenten über den Rentner und den Lehrer bis hin zum medizinischen Assistenten.


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Vorsitzender Andreas Radlmaier macht die "Salamitaktik der Corona-Maßnahmen" für den Rückzieher verantwortlich: Man könne nur im 14-Tages-Rhythmus planen. "Das ist bei einer gemeinnützigen Organisation anstrengender als bei einer professionellen Organisationsstruktur", sagt Radlmaier. Die Vereinsmitglieder wollten keine "Geisterkultur mit Drive-in und hupenden Autos".

Bevor sie sich zur endgültigen Absagen durchringen konnten, war das Programm nach und nach abgespeckt worden, um die Veranstaltung doch noch stattfinden zu lassen. Erst strichen sie die unbestuhlten Konzerte, etwa von "Zweiraumsilke", danach die bestuhlten. Übrig blieben die Auftritte, die zum großen Teil unter freiem Himmel geplant waren, zum Beispiel Lesungen mit Ewald Arenz, Timur Vermes und Franz Dobler. Auch die Gruppenausstellung "Sweet Home" mit 40 Künstlern, darunter Oliver Boberg, Dan Reeder und Christian Höhn, sollten stattfinden.

Man habe sich die Frage gestellt: Was bleibe noch von der Atmosphäre der Kultur übrig? Offenbar zu wenig. "Irgendwann ist die Entscheidung gefallen, dass wir es schweren Herzens sausen lassen."

Das liege auch am Verhalten der Behörden. Die, so Radlmaier, hätten den Festivalmachern zu verstehen gegeben, "dass sie die Hygieneschutzmaßnahmen deutlich überprüfen werden". In einer Pressemitteilung des Kulturpalasts heißt es weiter: "Seitens der Behörden wurden keine Möglichkeiten einer vernünftigen, sprich: leistbaren Durchführung in Aussicht gestellt, die wirtschaftliche Risiken und programmatische Lücken und Schattenseiten gerechtfertigt hätten."

Besonders bedauerlich für Radlmaier: Die Absage sorge vor allem bei den jungen Vereinsmitgliedern für Frustration. Wenn man kurz vor knapp den Stecker zieht, "dann ist das für das Seelenbefinden nicht so toll".


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Er klingt verbittert, als er auf die allgemeine Situation der Kultur in der Corona-Krise zu sprechen kommt. Seit Monaten stünden Künstler vor dem Nichts. Gesellschaft und Politik würden sich Gedanken machen, wie man andere Bereiche retten kann. Bei der Kultur gelte der Grundsatz "nice to have" (schön zu haben). Wenn sie nicht da sei, heiße es "so what" (was sollʼs). "Das ist ernüchternd", befindet Radlmaier.

Seit 1999 gibt es das Kulturpalast-Festival, doch auch im vergangenen Jahr wurde es abgeblasen. Der Grund war freilich ein anderer: Radlmaier wollte den Vorsitz abgeben. Die Atempause sollte ein Weckruf für junge Leute sein, die Leitung zu übernehmen. Damit der Verein nicht zum "Seniorentanztee" wird.

Ein Nachfolger muss her

Die Suche nach einem Ersatz war allerdings vergeblich, auch wenn sich der Vorstand insgesamt verjüngte. Umso wichtiger wären die Veranstaltungen in dieser Woche gewesen. Sie sollten ein "Vorführfestival" sein, um mit dem teilerneuerten Führungsteam in die Zukunft zu steuern.

Nach wie vor möchte Radlmaier kürzertreten – bis Ende Juli soll ein Nachfolger gefunden sein. Wenn niemand die Hand hebt, müsse man überlegen, wie es mit dem Kulturpalast weitergeht. Und mit dem Festival.

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