Land-Kunst geht knisternd ins Ohr

3.7.2009, 00:00 Uhr
Land-Kunst geht knisternd ins Ohr

© Mark Johnston

Die Scheune im Rücken, der Blick geradeaus: Hier - Anwanden, Falkenstraße 22 - kommt’s einem vor wie in der Malzkaffeewerbung. Ein sonnengelbes Feld wartet nur darauf, von der Kunst erobert zu werden - oder nicht? Ob KulturPalast und bildende Kunst unfallfrei Doppelpass spielen, erprobte das Team um Palastchef Andreas Radlmaier erstmals vor zwei Jahren auf dem Wolfgangshof. Im Vorjahr hielt der Verein die Zeit für gekommen, den Acker gleich beim Heimspiel-Schauplatz Scheune kunstvoll zu beackern; Berny Meyers Riesenfotografien, mitten ins Feld gedonnert, machten Furore und blieben sogar, obgleich schutzlos in freier Natur aus- und aufgestellt, unbeschädigt.

Das hat Mut gemacht für 2009. Jetzt sind gleich sieben Künstler mit dabei. «Land-Kunst Kunst-Land« lautet das Motto heuer. Radlmaier: «Wir erobern uns den öffentlichen Raum und versuchen, aus normalem Land ein Kunst-Land zu machen.« Dies immerhin in einem Örtchen, das zwar nur 15 Kilometer Luftlinie vom Nürnberger Hauptmarkt entfernt liegt, doch dem man kaum zu nahe tritt mit der Behauptung, dass die gefühlte Distanz zum nächsten Kulturzentrum an manchen Tagen größer ist als vom Äquator zu den Polkappen. Na, die vom KulturPalast mal wieder, heißt es dann; ja, es soll Anwandener geben, die frohgemut den Sonntagnachmittag erwarten. Dann ist nämlich schon wieder Schluss. Wer die sieben installativen Arbeiten des Palast-Jahres 2009 allerdings näher betrachtet, mit Offenheit und Hingabe, wird sagen: leider.

Alle Künstler haben einen ganz eigenen heißen Draht zur Natur, zu Naturthemen und -materialien. Alte, rund 1000-jährige Eichen hat die Nürnberger Fotokünstlerin Sabine Freudenberger nachts mit Blitzlicht höchst gewieft und mit Sinn für den dramatischen Augenblick ins Bild genommen. Zu sehen sind zwei der schönen Ungetüme in der Einfahrt zur Falkenstraße und rund 150 Meter weiter am Waldrand. Auf Wäscheleinen zwischen Bäumen sommerlich keck gespannt sind bemalte Holzreliefs von Skulpturen-Fachmann Clemens Heinl. Mit Farbe hat er Schnitzabfälle bearbeitet und damit gleichsam abstrakte Landschaftskulissen geschaffen.

Ignazio Tolas Lichtobjekte sind so wertvoll wie tausende kleiner Steaks. An der Bühnenstirnseite der Scheune hat der Sarde, der an der Nürnberger Kunstakademie Goldschmied lernte und Meisterschüler wurde, schlangenförmige Lichtgebilde aus quietschbunten Kinderjoghurtbechern installiert. Und: Ja, er schwört tausend Eide, jeden Becher höchstpersönlich ausgelöffelt zu haben. Von Veronika Riedelbauch stammen zauberhafte Schalen und Klangtassen - deren Sound können sich die KulturPalast-Besucher via Kopfhörer zu Gemüte führen.

Um Behausungen und das Enthaustsein dreht sich immer wieder Wolfgang Mays Kunst. Sein mobiles Baumhaus, installiert auf einem Bootsanhänger, will der Nürnberger auf jeden Fall auch für mindestens eine Nacht in Anwanden nutzen. An Reiner Zittas, aus hölzernen Fundstücken geschaffenen Wegweisern vorbei führt der Spaziergang auf einen Steg, der rund 50 Meter ins Feld hineinragt.

Dort findet der Besucher ein Geviert vor. Thomas May hat das Mittelgeviert mit Dürer-Rasen - Pimpernelle, Spitzwegerich, Breitwegerich, Klee und manchem Grünzeug mehr - bepflanzt und rundum ausgelegt mit original Rollrasen aus dem Frankenstadion. Einen «Feldversuch zum Thema ,Gras wachsen hören‘« nennt der Ironiker, der seinen grünen Daumen derzeit auch auf der Schweriner Bundesgartenschau wackeln lässt, diese Installation. Mit Hilfe von Hörtrichtern kann sich jedermann selber vom faszinierenden Klang wachsenden Hasenfutters überzeugen. So herrlich verrückt war der KulturPalast in zehn Jahren noch nie.

Hameln grüßt Anwanden: Mit einer Kunst-Prozession eröffnet der Kunst-Teil des KulturPalastes heute um 18.30 Uhr. Zwei Stunden später legen in der Scheune die Kabarett-Grantler Matthias Egersdörfer, Martin Puntigam und Tiger-Willi los. Unentwegte müssen auf Restkarten an der Abendkasse hoffen.MATTHIAS BOLL

«Land-Kunst Kunst-Land«: Falkenstraße 22, Anwanden. Ab heute, 18.30 Uhr. Bis Sonntag.