Mit Improvisation gegen die Sucht

21.5.2011, 16:00 Uhr
Mit Improvisation gegen die Sucht

© Johnston

Tosender Applaus und eine La-Ola-Welle nach der anderen brandeten durch die Aula der Leopold-Ullstein-Realschule. Die Schauspieler des Improvisationstheaters haben ganze Arbeit geleistet: Viele scheitern daran, Schüler aus der neunten und zehnten Klasse mit etwas anderem als Computerspielen und Partys zu begeistern — doch Sigrid Großkurth, die Koordinatorin des Theaters, und ihre Bühnenkollegen wissen, wie sie die Jugendlichen mitreißen können.

„Wir sind eben authentisch“, sagt die Schauspielerin. Auch die Schüler wussten bereits vor der Aufführung über die Vergangenheit der Darsteller Bescheid. „Requisit“ rekrutiert sich ausschließlich aus ehemals Süchtigen, die nach einer erfolgreichen Therapie mit Hilfe des Vereins Selbsthilfe im Taunus (SiT) wieder ins Leben eingebunden werden sollen.

In ihren Stücken spielt das Thema Drogen allerdings keine Rolle. „Es geht nicht darum, sich mit einer Spritze im Arm vor die Schüler zu stellen“, so Großkurth. Vielmehr soll das Theater, bei dem Schauspieler und Zuschauer gleichermaßen beteiligt sind, Vertrauen zu den Jugendlichen aufbauen.

Danach geht es in kleine Gesprächsgruppen, in denen die Mädchen und Jungen einen Darsteller befragen können. „Viele interessieren sich für unser früheres Leben, dafür, wie wir zu den Drogen gekommen sind und welche wir genommen haben“, sagt die Koordinatorin. Lehrer oder andere Erwachsene dürfen bei den Gesprächen nicht dabei sein — denn erst dann trauen sich viele Schüler, über ihre eigenen kleinen Süchte zu reden, haben die Macher gelernt.

Damit aber auch die Lehrer und Sponsoren, die diesen Tag zur Suchtprävention in der Schule finanziert haben, etwas mitnehmen, kümmert sich Großkurth um sie. Parallel zu den Gesprächen in den Klassenzimmern erklärt die Koordinatorin das Konzept ihres Theaters und gibt den Pädagogen Tipps — etwa, wie man mit der Vermutung umgeht, dass einer der Schüler abhängig sein könnte.

Persönlichkeit stärken

„Viele vergessen, dass auch Alkohol und Zigaretten Suchtmittel sind“, sagt Großkurth. Zudem können Computerspiele ernsthaft abhängig machen. Der falsche Ansatz sei es jedoch, von oben herab zu belehren. „Wichtiger ist es, die Persönlichkeit jedes Einzelnen zu stärken, damit die Gefahr einer Sucht so gering wie möglich gehalten wird“, so die ehemalige Abhängige.

Sigrid Großkurth ist klein und zierlich, braun gebrannt wie nach einem langen Sommerurlaub — doch wenn sie von ihrer Zeit als „Junkie“ erzählt, glaubt man ihr auf Anhieb. Aus demselben Grund wirken ihre Kollegen vor den Jugendlichen so überzeugend. „Nur über die emotionale Ebene können wir die Schüler erreichen“, weiß die Koordinatorin. Eine Sucht sei nie rational erklärbar, und die Gründe, die Menschen in Abhängigkeit treiben, seien nie vergleichbar. Deshalb bekomme die Prävention einen so hohen Stellenwert — darin sind sich auch die Sponsoren, darunter der Lions Club Fürth und die Raiffeisen-Volksbank, einig.

Nach 90 Minuten Schülergespräch in den Klassenzimmern ist Schluss. Das ist natürlich viel zu wenig Zeit, um die Persönlichkeit der Jugendlichen nachhaltig zu stärken, doch Großkurth und ihren Mitstreitern geht es um etwas anderes: „Unser Ziel ist es, zum Nachdenken anzuregen.“ Das nämlich sei der erste Schritt weg von der potenziellen Sucht.

„Wenn man erkannt hat, dass man zu oft trinkt oder zu viel Zeit mit Computerspielen verbringt, ändert man es meistens schon“, glaubt die Schauspielerin.