"Museumsreif": Hoffnung auf den Schatz vom Dachboden

29.6.2016, 06:00 Uhr

© Peter Budig

Weit über 100 stolze Besitzer vermeintlicher Preziosen hatten sich für die Aktion beworben, die vom Förderverein des Stadtmuseums mit Unterstützung der FN organisiert wurde. 26 Stücke wurden schließlich bewertet. Kaum haben die Leut’ ihre Dachbodenschätze wieder verstaut, die sie für den Grafflmarkt am zurückliegenden Wochenende herbeigeschleppt hatten, werden die wahren Goldstücke ausgegraben. "Zehn Minuten pro Stück, sonst kommen wir in Zeitverzug", mahnt Moderatorin Corinna Mielke vom Bayerischen Rundfunk streng. Doch auch sie, eine mit allen Skurrilitäten des Lebens vertraute Medienfrau, ist vom Geschehen im Fürther Stadtmuseum verblüfft.

"Museumsreif – Fürther Dachbodenschätze" heißt die Veranstaltung. Rechts im schlichten Saal sitzen die Expertinnen am Tisch. Ihr Beruf nennt sich "bestellte und vereidigte Auktionatorin" – eine Profession, die vielfältige Talente und enormes Wissen voraussetzt. Lorenz Müller, ein privater Sammler, hat eine seiner Walzendrehorgeln mitgebracht, ein schuhschrankgroßes Instrument. "Rocasso & Sohn, Halle", steht an der Front.

Der Eifer des Sammlers

"Vor zehn Jahren bekam ich das Stück, es lag in Trümmern. Ich habe es restaurieren lassen und möchte zu gern wissen, was es nun wert ist." Doch der Eifer des Sammlers, in teure Handwerksarbeit geflossen, könnte bereits den Preis drücken. Denn, so Kathrin Weidler (33): "Sammler, die Spitzenpreise zahlen, sind am Originalzustand interessiert. Also sollte man den wenigstens exakt dokumentieren, bevor man Änderungen vornimmt."

Ein Tipp, der für Müller zu spät kommt. Doch sein Drehen an der Kurbel beweist, dass der Aufwand nicht nutzlos war: Volltönend spielt das Instrument, um 1900 gebaut, den Torgauer Marsch. "Auf jeden Fall vierstellig, vielleicht bis zu 10.000 Euro", schätzt Kathrin Weidler den Preis. Das Armband von Frau Wild, vergoldet, variables Flexband, vermutlich um 1900 entstanden, wird solche Summen wohl nie erbringen. "Ein schönes Stück, dessen ideeller Wert vermutlich viel höher ist als der erzielbare Preis", meint die jüngere Weidler-Schwester Kerstin (31) behutsam.

Radikale Selbstausbilderinnen

Die Sammlerwelt, sie birgt viele Überraschungen. Die Weidlers haben erlebt, dass einmal ein weißes Wärterhäuschen aus einer Reihe von Eisenbahnzubehör allein stolze 10.000 Euro erzielte. Der Grund für den enormen Versteigerungserfolg: Das Stück hatte eine bewegliche Tür, die Schmuckfahne war noch erhalten. So viel dürften die Dampfloks und Häuschen, Herstellungsdatum um 1920, die Tobias Meier ins Fürther Museum mitgebracht hat, nicht einbringen. Aber ein vierstelliger Betrag sollte bei einer Auktion schon möglich sein, schätzt Kathrin Weidler.

Das Taxieren von Schmuck, Möbeln, Oldtimern, Teppichen, Uhren, von ganzen Nachlässen ist nur ein Teil der Arbeit der Geschwister Weidler. Sie haben ihren Vater, der das Geschäft 1980 gründete, schon im Mädchenalter begleitet. Für beide war bald klar, dass sie dieses faszinierende (und wohl auch einträgliche) Gewerbe ebenfalls betreiben wollten. Nach dem Abitur stiegen sie sofort ins Geschäft am Nürnberger Dürerplatz ein. Dort sind beide radikale Selbstausbilderinnen geworden, "und jeder Tag, jedes Fundstück erweitert das Wissen".

Gemälde von Lovis Corinth?

Elfenbein, Knochen, Plastik? Das ist die Frage, die sich Herbert Vogtmann stellt. Er hat ein Ensemble detailliert geschnitzter Minimöbel geerbt: Tische, Stühle, ein Kindersitz mit Babypuppe, ein Piano und ein Schachtischlein. Das Mobiliar stammt aus dem Besitz der Urgroßtante, die in der Südstadt den Laden "Schirmbau Müller" betrieb. Da merkt Martin Schramm auf, Chef der Fürther Museen und interessierter Beobachter: "In Fürth gab es im 19. Jahrhundert etliche Beinschnitzer. Für mich ist der Herkunftsort noch wichtiger als der Geldwert", sagt er. Schramm ist stets auf der Suche nach historischen Schätzen für sein Museum, doch der Fürth-Bezug ist natürlich ein Muss.

Am Nachmittag wird es spannend. Eine Dame hat ein Gemälde vorgelegt – ein Mädchen küsst einen Kerl – das von Lovis Corinth stammen könnte. Der berühmte Impressionist aus Ostpreußen, geboren 1858, dessen bekannteste Bilder, "Susanna im Bade" oder "Selbstporträt mit Skelett", selbst Laien vertraut vorkommen könnten, erzielt heute Fantasiepreise. Doch das vorgelegte Werk ist wohl mehr "im Stile Corinths" entstanden, wie die Expertinnen urteilen. Schade – ein echter Corinth könnte bis zu einer Million Euro einbringen. Gut zwei Dutzend von über hundert eingereichten Objekten wurden am Sonntag auf diese Weise begutachtet.

© Peter Budig

"Wir hoffen, dass das der Auftakt einer kleinen Reihe von Veranstaltungen war", verrät die Fördervereinsvorsitzende Maria Ludwig.

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