Musical soll folgen

Neues Buch: Fritz Stieglers "Heiner"

20.7.2021, 21:00 Uhr
Neues Buch: Fritz Stieglers

© Foto: Hans–Joachim Winckler

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Heiner hatte Pläne, große Träume. Bauer wollte er werden, nicht nur als Knecht schuften, etwas von der Welt sehen. Kühne Gedanken für einen, der jung war, als das 20. Jahrhundert noch in den Kinderschuhen steckte. Was aus Heiners Hoffnungen wurde? Wer heute lebt, wird vermutlich sagen: Nicht viel. Fritz Stiegler blickt tiefer. Er hat den Mann, der sein Nachbar war, zur Titelfigur seines nächsten Romans gemacht und öffnet damit ein Tor zu einer fast vergessenen Welt.

Stiegler erzählt vom Leben eines fränkischen Kleinbauern. Ein Dasein, das eng und auf schier undurchdringliche Weise begrenzt erscheint. Wie auf Schienen gesetzt verlaufen die Lebenswege sämtlicher Protagonisten. Ausbrechen und eigene Ideen verwirklichen? So gut wie unmöglich. Heiner wagt den Versuch und geht Kompromisse ein, die schmerzlich erscheinen. Anna, das Mädchen, das ihm gefällt, kann er nicht heiraten. Sie ist arm wie er. Seine Ehe mit Tina, die einen kleinen Bauernhof als Aussteuer mitbringt, entwickelt sich zu einem Verhältnis auf Distanz. Glück ist aus anderem Stoff gemacht.


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Das Faszinierende an Stieglers Roman ist nicht zuletzt, wie nahbar dieser Heiner für den Leser wird. Was im ersten Moment nach einer beinahe exotisch fremden Biografie klingt, wird dank der unaufgeregten Authentizität, die der Autor seinem Helden verleiht, vertraut. Stieglers Ton ist lakonisch, das macht ihn wahrhaftig und berührt. Dem Autor lagen Originalbriefe vor, säuberlich geschrieben in Sütterlin, in denen der leibhaftige Heiner um eine Braut warb. Romantisch? Eher nicht. Stiegler: "Es geht darin nicht um Zuneigung, mehr um Wirtschaftliches."

Ganz besonders reizvoll sind im Buch die beinahe dokumentarischen Schilderungen des Alltäglichen, von Arbeit und Festtagen. Marion Voigt, Lektorin und Literatur-Agentin aus Zirndorf, schreibt in ihrem Exposé zu Stieglers Roman: "Diese Geschichte ist wie ein Heimatmuseum." Sie hebt hervor, dass Heiners unspektakuläres Leben tief in Franken verankert ist und zugleich vor dem Hintergrund der Geschichte des 20. Jahrhunderts spielt.

Basierend auf Fakten

Denn wie bereits in seinem Roman "Valentina" (2013) oder im Musical "Mademoiselle Marie" setzt sich Stiegler mit der NS-Vergangenheit auseinander. Sein Protagonist wird untätiger Zeuge eines Pogroms, ein brutaler Gewaltakt, der ihn bis zu seinem Lebensende beschäftigen wird. Der 59-jährige Autor greift auch hier auf Fakten zurück, dafür hat er sich intensiv mit der Zerstörung jüdischen Lebens in Wilhermsdorf auseinandergesetzt, die Robert Hollenbacher intensiv recherchiert hat. "Das ist für mich ganz wesentlich in der Geschichte", sagt Stiegler, "ich wollte zeigen, wie leicht das ging mit dem Wegschauen und wie schnell das wieder passieren kann."


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Mehrere Jahre hat Stiegler an seinem Roman geschrieben. Fast wäre "Heiner" als Musical mit der Musik von Matthias Lange und unter der Regie von Jan Burdinski mit dem großen Ensemble der Burgfestspielen schon in diesem Sommer vor der Cadolzburg auf die Bühne gekommen. Das hat Corona verhindert, jetzt ist die Musical-Premiere für 2022 geplant. Voraussichtlich im September erscheint nun der Roman. Michael Volk, Chef des gleichnamigen Münchner Verlags, sagt: "Zwei Kollegen haben hier bei uns das Buch gelesen und waren auf Anhieb begeistert, weil Fritz Stiegler sofort eine ganz besondere Atmosphäre aufbaut und diese Stimmung seinen ganzen Roman hindurch hält." Der Volk-Verlag hat sich mit Ratgebern, Sachbüchern und Literatur unter dem Motto "Lust auf Bayern und Franken" profiliert.

Vertrauter Nachbar

Bevor er zur Romanfigur wurde, war der reale Heiner für Fritz Stiegler in Jugendtagen ein vertrauter Nachbar. "Er war ein Original im Dorf und hat außerhalb der Norm gelebt, sämtliche Geschichten im Buch sind echt." Seine Erinnerung hat der Gonnersdorfer auf ganz praktische Weise aufgefrischt: "Da habʼ ich mal die Verwandtschaft zusammengetrommelt und beim Kaffee locker nachgefragt, was die noch so vom Heiner wussten."

Er selbst hat bis heute auch vor Augen, wie sich der alte Mann im Sommer mit Vorliebe zum Schlafen einfach auf ein Stück Gras vors Haus gelegt hat. Tiefenentspannt sei er gewesen: "So sehr, dass ich als junger Bursch oft mal schnell zu seinem Eckerla hin bin und geschaut hab, ob er noch schnauft . . ."

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