Oh Täler weit, oh Höhen

14.9.2010, 11:14 Uhr
Oh Täler weit, oh Höhen

© Michael Müller

Aus dem Boden, der mit grauem Teppich bedeckt ist und an Felsen erinnert, wächst eine Landschaft. Das Ganze ist vielfach prismatisch gebrochen — der Besucher muss aufpassen, dass er nicht stolpert — und auch noch mit Möbelteilen bestückt. Die gebrauchten Einrichtungsgegenstände aus längst vergangenen Tagen faszinieren. Da findet sich ein Radio-Teil, dort die Schublade einer Schrankwand, drüben ein Regalbrett, daneben liegen Fernbedienung und Eierbecher.

„Wohnlandschaft“, das klingt nach den 1970ern, nach „daheim hocken und die Schrankwand anglotzen“, wie Jugendliche damals sagten. Oder nach Ikea-Prospekt. Daniel Hörl aber, Akademie-Student bei Claus Bury in Nürnberg, macht etwas ganz anderes daraus: Was hier Gebäude und was Einrichtung ist, bleibt bewusst unklar. Die Dinge setzen sich neu zusammen, Maßstäbe verschieben sich.

Wie er das vollbracht hat, kann man im Nebenraum in einem Video sehen und auf Fotos betrachten, die während der Aufbau-Arbeiten entstanden: Überall im Gebäude befinden sich wabenförmige Kästen, über die der neue Boden gelegt und der Teppich gespannt wurde.

Viele Freunde halfen mit, auch Sponsoren waren nötig, um eine Arbeit von solchen Ausmaßen zu stemmen. Am fröhlichsten sind die Kinder, die begeistert kleine Abhänge hinunterrutschen und wieder heraufklettern. Das Werk lädt zum Eintreten und „Raumempfinden“ ein, wobei innen oder außen zur Frage werden.

Orientierungsverlust

Wände als Grenzen zwischen Privatem und Öffentlichem fehlen ja, so schwindet die Barriere und gibt zusehends alles frei. Dafür sind die weichen Übergänge und sanfte Neigungswinkel des Bodens charakteristisch. Vollauf beabsichtigt ist der leichte Orientierungsverlust des Betrachters (in) dieser seltsamen Landschafts-Skulptur.

Das alles ist ein bisschen wie bei „Big Brother“ oder wie bei Performern, die sich freiwillig in ein Schaufenster setzen und dort ihren Alltag öffentlich zelebrieren. Sie wären in Daniel Hörls Welt perfekt aufgehoben. Genau darin liegt die Modernität, der Unterschied zu den 1970er Jahren.

„Wohnlandschaft“: Kulturort Badstraße 8. Donnerstags und freitags 15.30–22 Uhr, samstags 14–22 Uhr, sonntags 10–20 Uhr. Begleitprogramm unter www.badstrasse8.de — bis 17. Oktober.