Piazza des Todes

8.8.2014, 11:30 Uhr
Piazza des Todes

© Foto: Gerd Axmann

Ein schlimmer Finger, dieser Jedermann. Geld horten, Schuldner abstrafen, mit Frauen rummachen – das kann er aus dem Effeff. Das übliche Programm. Doch gehört es zu den sattsam bekannten Tatsachen unseres Daseins, dass irgendwann Schluss ist mit lustig. An diesem Punkt kann man murmeln, dass das letzte Hemd keine Taschen hat. Oder man macht, wie Hugo von Hofmannsthal, ein anachronistisches Spiel daraus.

Eine von mehreren Merkwürdigkeiten des „Jedermann“ ist, dass seit der Uraufführung 1911 viele kritische Geister das Stück mit seinem schwer verdaulichen Knittelvers-Klang ablehnen. Umso inniger ist die Zuneigung des Publikums, von der Leidenschaft der Festspielaustragungsorte — neben Salzburg sind das erstaunlich viele — ganz zu schweigen.

Jetzt also Fürth. Ute Weiherer (Regie) und Brigitte Riemann (CoRegie) präsentieren eine denkbar unsakrale Inszenierung des Werks, dem Hofmannsthal eine verblüffend einfältige Heilslehre unterlegt hat. Leichter wird das Unterfangen dadurch nicht.

Eine nicht zu unterschätzende Rolle spielt in Fürth der Bühnenraum. Statt Dom-Ambiente satt, wie in Salzburg oder Berlin, gibt es drei begrenzende Kufo-Hof-Wände, die an Schlichtheit nicht zu überbieten sind, die allerdings auch keinerlei Assoziationen frei Haus mitliefern. Das große Mix-Ensemble nimmt sich viel Platz, die Sitzreihen sind weit in den Hintergrund gerückt. So kann großzügig aufgespielt werden. Ein Fakt, der einfallsreich genutzt wird. Nähe und Intimität zum Geschehen können sich dabei aber nur schwer entwickeln.

Uwe Weiherer trägt als Jedermann den Abend. Das gelingt ihm mit den diffizilsten Mitteln. Nicht grobkantig herausgeschnitzt ist der reiche Mann, den er präsentiert. Stattdessen bringt er einen durchaus sympathischen Macher hervor, der Realist genug ist, um genau zu wissen, wie die Geschäfte laufen müssen. Selbstverständlich zieht er eine deutliche Grenze zwischen sich und jenen, die als abhängig Beschäftigte für ihn den Kleinkram erledigen. Wie genau das funktioniert, hat die Fußball-WM gelehrt: Rasierschaum ist das Mittel der Wahl für derartige Markierungen.

Typgenau sind die Mitspieler besetzt. Ulrike Gradl glückt als Jedermanns Mutter ein inniger Moment, der jeden Anflug von Kitsch ausschließt. Klaus Lumpp und Frank Burkhardt (dicker und dünner Vetter) entwickeln ganz offensichtlich Lust an ihrem grotesken Treiben, während Alexandra Hacker eine erfrischend selbstbewusste Buhlschaft ist.

Rike Frohberger (Tod) ist von exakt jener Kompromisslosigkeit, die ihr Part vorgibt. Kostüm und Maske sind bei ihr herausragend. Dummerweise trifft gerade sie mehrmals auf der Riesenspielfläche ein Stellungsfehler, der ihrem stummen Auftritt im Hintergrund einen Teil der Wirkung nimmt. Denn immer wieder wird sie von Mitspielern verdeckt und verschwindet in der Menge.

Unausweichlich ist der Tod natürlich trotzdem. Doch zuvor durchläuft dieser Jedermann eine rekordverdächtige Instant-Umkehr. Gott (Martin Würflein), der im Kufo-Hof erdenklich beiläufige Auftritte hat, macht eine Art von Rechnung auf: Gute Werke und ein biederes Glaubensbekenntnis sind der Preis für Gnade. Funktioniert fabelhaft für den plötzlich Verzweifelten – wenn auch die Szene allzu weit von den Zuschauern entfernt abläuft und dadurch etwas sehr Indirektes und Unpersönliches bekommt. Die späte Einsicht zahlt sich jedenfalls aus, und dieser Fürther Jedermann scheint seinen Abgang so zu machen, wie er es ein Leben lang gewohnt war – als einer, der weiß, wie’s geht.

So werden Sinnverlust und Entfremdung von heilfrommen Lösungen letztlich zum großen Mysterienspiel. Tröstlich ist das nicht.

Weitere Termine: heute und morgen, jeweils 20.30 Uhr, Piazza des Kulturforums (Würzburger Straße 2), bei Regen in der Großen Halle. Restkarten an der Abendkasse.

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