Schüler-Hilfsprogramm vor dem Aus: Fürth schickt Brandbrief nach München

9.4.2021, 16:00 Uhr
Orientierungshilfen beim Berufseinstieg – hier ein Bild von der Messe „parentum“ in der Stadthalle – sind ein wichtiges Instrument. In Fürth sorgt deshalb das drohende Aus für ein erfolgreiches Programm für Entsetzen. 

© Hans-Joachim Winckler Orientierungshilfen beim Berufseinstieg – hier ein Bild von der Messe „parentum“ in der Stadthalle – sind ein wichtiges Instrument. In Fürth sorgt deshalb das drohende Aus für ein erfolgreiches Programm für Entsetzen. 

Die „Berufseinstiegsbegleitung“ unterstützt junge Menschen bei Ausbildungsplatzsuche, Bewerbung oder Vorstellungsgespräch – und bewahrt sie davor, nach der Schule gesellschaftlich abgehängt zu werden. Doch genau diese Hilfe ist nun gefährdet, da der Freistaat die weitere Finanzierung noch nicht geregelt hat. In Fürth ist man fassungslos. Schulbürgermeister Markus Braun spricht von einem „Skandal“.

Laut Fürther Bildungsbüro könnten schon im September die Achtklässler betroffen sein. Es wäre seit 2013 der erste Jahrgang, der von der zweieinhalb Jahre langen „Begleitung“ nicht profitieren könnte. Tausende Förderplätze in Bayern fielen weg, allein 138 in Fürth.

"Es war ein Riesenschock"

„Als wir davon erfahren haben, war das ein Riesenschock“, sagt Kora Maresch-Kern, die stellvertretende Leiterin des Fürther Bildungsbüros. „Die Berufseinstiegsbegleitung ist ein sehr gutes Programm, weil es die Schüler individuell fördert.“

Sollte es auslaufen, schätzt man im Bildungsbüro, würde über die Hälfte der jungen Menschen, die künftig nicht mehr unterstützt werden, den nahtlosen Sprung ins Berufsleben nicht schaffen. Um das zu verhindern, schickte die Stadt vor kurzem einen „Brandbrief“ nach München. Die Antwort steht noch aus.


Berufsschulen: Wie Corona den Berufseinstieg beeinflusst


Erst 2018 hatte der damalige Kultusminister Bernd Siebler noch verkündet, die Berufseinstiegsbegleitung sei bis 2023 gesichert. Dennoch ist die Finanzierung nun offen. Hintergrund: Die Agentur für Arbeit und der Freistaat trugen bislang je zur Hälfte die Kosten. Der Freistaat setzte Mittel aus dem Europäischen Sozialfonds (ESF) ein. Diese ESF-Förderung läuft nun aber aus, weshalb der Freistaat in andere Töpfe greifen müsste

Im Bayerischen Landtag jedenfalls stellten Grüne, SPD und FDP kürzlich den Antrag, das nötige Geld noch im Haushalt 2021 einzustellen. Das lehnten CSU und Freie Wähler ab. „Letztlich fehlte der politische Wille der Regierungskoalition, die Weiterfinanzierung des Programms zu ermöglichen“, bedauert Barbara Fuchs, Grünen-Landtagsabgeordnete aus Fürth.

Die drei Oppositionsfraktionen geben aber nicht auf. Sie wollen nun einen weiteren Antrag stellen, wonach der Sonderfonds „Corona-Pandemie“ angezapft werden soll. Schulbürgermeister Markus Braun hofft jedenfalls auf ein „Umdenken“ in München.

Aus zwei Gründen: Zum einen kämpft Fürth schon „seit Jahren“ darum, dass die Stadt mehr Förderplätze als 138 bewilligt bekommt. „Tatsächlich haben wir einen Bedarf von rund 250 Plätzen in der Stadt.“ Das Programm müsste also in Fürth sogar noch ausgebaut werden.

Widerstand in Bayerns Kommunen

Zum anderen bezeichnet es Braun als „geradezu grotesk“, dass man in der Corona-Krise, in der die Situation für viele Absolventen noch schwieriger ist als ohnehin, „eines der wichtigsten Instrumentarien streicht“, um den Weg in den Beruf zu ebnen.

Eben weil die „Berufseinstiegsbegleitung“ so wertvoll ist, regt sich in Bayerns Kommunen aber Widerstand. Im Städtetag wird das Thema aktuell diskutiert, berichtet Braun. Und Nürnberg und Schwabach machten zuletzt ebenfalls mittels Brandbriefen Druck in München.


Bayern hat die meisten Sitzenbleiber in Deutschland


Im Kultusministerium jedenfalls scheint man sich im Klaren zu sein, wie wichtig das Förderprogramm ist. Denn auf FN-Anfrage versichert Ministeriumssprecher Andreas Tabbert nun: Es gebe „eine grundsätzliche politische Verständigung, die Berufseinstiegsbegleitung nahtlos für den nächsten möglichen Teilnehmerjahrgang durch den Freistaat weiter zu finanzieren.“

Anders gesagt: Man will die Schüler nicht hängen lassen. Aber die Entscheidung, woher das Geld kommen soll, steht noch aus.

Keine Kommentare