"Die probieren die Zukunft aus"

Vegane Kondome: Was Fürth von der Berliner Firma Einhorn lernen kann

Birgit Heidingsfelder

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27.4.2023, 19:00 Uhr
Kondome, hier auf einem Leuchttisch, können auch vegan hergestellt werden.  Die Berliner Firma Einhorn macht das und noch mehr vor. 

© Oliver Berg, NN Kondome, hier auf einem Leuchttisch, können auch vegan hergestellt werden.  Die Berliner Firma Einhorn macht das und noch mehr vor. 

Erst spricht der OB ein Grußwort, dann gehört die Bühne dem "Head of Orgasmic Marketing & PR" einer Firma, die mit veganen Kondomen bekannt wurde. Auch wir wurden da neugierig: Über die Konferenz, die am Samstag, 6. Mai, in der Gebhardtstraße (Firma Brandad) stattfindet, sprachen wir mit Mitveranstalter Bernhard Röhrs, den man als Chef der Fürther Kämmerei kennt.

Herr Röhrs, Ihre Veranstaltung trägt die Titel "Einfach machen". Welches Wort wird da eigentlich betont? "Einfach"? Oder "machen"?

Betont wird das zweite Wort. Machen. Denn es geht darum, ins Tun zu kommen. Mit dem Wort "einfach" signalisieren wir, dass das gar nicht so schwierig ist, man muss nur loslegen.

Haben Sie ein Beispiel?

Statt sich zu beklagen, dass man immer müde und gereizt ist, könnte man einfach zehn Minuten Me-Time am Tag für sich einplanen und zum Beispiel zehn Minuten meditieren.

Es geht um Fürsorge: Bei der Fürther „Einfach-machen-Konferenz“ setzt man auch auf Inspirationen aus Berlin, wo eine Kondomfirma ohne Hierarchien auskommt.  

Es geht um Fürsorge: Bei der Fürther „Einfach-machen-Konferenz“ setzt man auch auf Inspirationen aus Berlin, wo eine Kondomfirma ohne Hierarchien auskommt.  

Worum geht’s konkret am 6. Mai?

Die Konferenz ist so was wie ein Wellness-Wochenende, ein Sieg der SpVgg und eine Geburtstagsfeier auf einmal. Eine eierlegende Wollmilchsau. Es geht um Fürsorge und um Selbstfürsorge. Ich erlebe in meinen VHS-Kursen und Seminaren oft eine große Unzufriedenheit mit der Politik, der Partnerschaft, dem Beruf. Viele Menschen wünschen sich ein anderes Miteinander, denken aber nicht daran, sich selbst zu ändern. Aber da fängt alles an. Bei mir selbst. In der Konferenz schauen wir – in dieser Reihenfolge – an: Was kann ich für mich tun? Wie kann ich in der Gruppe anders agieren? Und wie in der Gesellschaft? Wir geben in neun Workshops Impulse auf allen drei Themenfeldern.

Das klingt vage . . .

Wir Menschen haben 60.000 bis 70.000 Gedanken am Tag, aber 90 bis 95 Prozent sind immer die gleichen. Es macht also einen Unterschied, ob sie düster sind oder hell. Ich selbst habe früher nach dem Aufstehen sofort an die Arbeit gedacht, daran, was ich erledigen muss. Seit ich mir morgens 15 Minuten Zeit für mich nehme, für Gymnastik, eine kurze Meditation und Momente der Dankbarkeit, bringt mich das in andere Schwingungen. Freude, Leichtigkeit und Energie vertreiben Frust, Ärger und Wut. Wer zu uns kommt, wird nicht nur berieselt, sondern zum konkreten Handeln angeleitet.

Sind Sie da eigentlich als Kämmerei-Leiter aktiv oder als Privatmann?

Ich organisiere das privat, heuer zum zweiten Mal, und zusammen mit drei Partnern.

Einer der Referenten – er nennt sich "Head of Orgasmic Marketing & PR" – vertritt die Berliner Firma Einhorn. Die hat mit veganen Kondomen Aufsehen erregt und will die "economy unfucken". Was genau darf man sich darunter vorstellen?

Ja, das klingt zwar etwas grob und ist nicht unbedingt meine Sprache, aber wir konnten da einen herausragenden Experten gewinnen. Bei Einhorn setzt man großes Vertrauen in die Beschäftigten. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dürfen selbst bestimmen, wann und wie viel sie arbeiten, wann und wie viel Urlaub sie machen, tragen aber auch Verantwortung für den Erfolg der Firma. Die probieren dort die Zukunft der Arbeit aus und sind dabei wahnsinnig erfolgreich.

Bernhard Röhrs (42), verheiratet und Vater von zwei Söhnen (10 und 9), ist Diplom-Kaufmann und Steuerberater und seit 2012 Leiter der Fürther Stadtkämmerei. Privat engagiert er sich als Trainer für wertschätzende Kommunikation und gibt unter anderem an der VHS Kurse etwa zum Umgang mit Ärger.

Bernhard Röhrs (42), verheiratet und Vater von zwei Söhnen (10 und 9), ist Diplom-Kaufmann und Steuerberater und seit 2012 Leiter der Fürther Stadtkämmerei. Privat engagiert er sich als Trainer für wertschätzende Kommunikation und gibt unter anderem an der VHS Kurse etwa zum Umgang mit Ärger. © Foto: privat

Lässt sich die poppige Vermarktung von veganen Kondomen und Menstruationstassen mit der Bezeichnung Papperlacup ernsthaft mit Ihrem Ziel der Fürsorglichkeit in Verbindung bringen?

Auf jeden Fall. Einhorn zeigt, dass alles möglich ist, dass ein fürsorgliches Miteinander auch in der rauen Wirtschaftswelt funktioniert. Das sind nicht nur Exoten, das sind – natürlich im Extremen – kreative Köpfe und Vorreiter.

Könnte sich Ihr Arbeitgeber – die Stadt Fürth – da die berühmte Scheibe abschneiden?

Ich denke, das kann jeder Betrieb. Es geht ja darum, zu erkennen, dass sich Investitionen in Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter lohnen, dass viel zurückkommt, wenn man den Leuten Vertrauen und Freiheit schenkt. Ich habe in der Kämmerei ja auch 30 Beschäftigte und betrachte jeden und jede als eine Wissensinsel. Ich stehe nur formal an der Spitze.

Bei Ihrer Konferenz wird ein anderer "Speaker" erklären, warum die Leute – um beim Beispiel zu bleiben – von Bio-Parisern schwärmen, dann aber doch zu billiger Gummiware greifen. Hat der Mann auch eine Lösung für das Dilemma mit dem Denken und dem Tun beim Thema Nachhaltigkeit?

Bestimmt, ich würde aber eher von Impulsen sprechen, die er mitbringt. Lösungen sind dann immer individuell.

Einer Ihrer Slogans lautet "Wissen-Werte-Wandel". Wer ist Ihre Zielgruppe? Immerhin kostet der Tag ja 65 Euro . . .

Wir wenden uns an alle. An die Frau, die seit Jahren Probleme mit der Schwiegermutter hat. Den Papa, der keinen Zugang mehr zu seinen Söhnen findet. An Führungskräfte und an Mitarbeiter, die sich nicht mehr gesehen fühlen. Sie alle sollen die Chance bekommen, ihre destruktiven Glaubenssätze, diesen mind fuck, loszuwerden und statt dessen die Initiative für einen anderen Blick auf sich und die Welt zu ergreifen. 65 Euro sind dafür ein fairer Preis, wir haben ja auch Unkosten. Selbsterfahrungsseminare liegen sonst im drei- bis vierstelligen Bereich.

wissen-werte-wandel.de

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