Vier Bosse, ein Sound

13.10.2012, 15:12 Uhr
Vier Bosse, ein Sound

© Stefan Hippel



Eine Bitte zum Auftakt: Wir hätten gern den Boss gesprochen.

Schalk: Wir sind alle da!

Hofmann: Nehmen Sie uns!

Schaller:
Wir sind alle vier ansprechbar.

Fritsch: Vor Ihnen sitzt ein basisdemokratisches Gebilde.

Basisdemokratie kann furchtbar anstrengend sein, oder?


Fritsch: Ist es, ja. Aber es geht nur so. Und es geht auch nur, weil bei allen der Wille zur Gemeinschaft vorhanden ist.

Schaller: Jeder von uns hat seine besonderen Stärken und Schwächen, das ergänzt sich prima. Die eine organisiert sehr gern, dafür kramt die andere lieber in den Noten. Da jeder von uns ja auch noch in anderen Projekten unterwegs ist, ist Organisation aber das A und O.

Frau von Fritsch, sind Sie die Organisatorin?

Fritsch:
Ich? Um Himmels willen! Wenn ich das Jubiläumskonzert hätte organisieren müssen, gäbe es nächstes Jahr noch keins. Um so etwas kümmert sich die Maria.

Schalk: Ich liebe Organisieren!

Fritsch: Ich bin eher die mit den Visionen. Was sollten wir spielen in Zukunft? Mit welchen Stücken sollten wir uns mal befassen?


Schaller: Aber das Helmut-Schmidt-Zitat kennst du, oder? „Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen.“ (Alle lachen.)

Fritsch:
Das hat er hoffentlich nur auf Politik bezogen, nicht auf Musik.

Mit Blick auf die vergangenen zehn Jahre: Wo haben Sie den donnerndsten Applaus erhalten?

Schalk: Höchstadt neulich, der Auftritt in der Fortuna Kulturfabrik. Sensationell.

Hofmann: Wie hieß gleich wieder diese kleine kalte Kirche bei München?

Schaller:
Ach, das Kammermusik-Publikum ist eigentlich immer sehr herzlich, wir können uns nicht beschweren. Es ist generationsmäßig gut gemischt und uns sehr zugewandt.

Schon mal vor der Auflösung gestanden?

Fritsch:
Nö. Die Absicht gab es nie.

Hofmann: Ich bin ja erst seit fünf Jahren dabei, in der Zeit war das kein Thema.

Schon mal wutentbrannt eine Probe abgebrochen?

Schaller: Nun ja, eine temperamentfreie Zone sind wir nicht.

Fritsch: Hochemotionale Momente gab es auf jeden Fall. Aber wir haben im Lauf der Jahre eine Vertrauensbasis geschaffen. Wir proben in der Tat sehr intensiv, aber wenn es mal Konflikte gibt, dann lösungsorientiert.

Schaller: Sagen wir mal so: Die Arbeit in einem Streichquartett ist ein guter Rahmen, den Toleranzmuskel zu trainieren.

Würden Sie auch gemeinsam der Kärwa einen Besuch abstatten?

Fritsch: In erster Linie wollen wir miteinander Musik machen. Und wir haben noch so viele andere Projekte, dass die Zeit für so etwas fehlt. Wenn wir die hätten, würden wir sicher auch privat mehr miteinander unternehmen.

Schaller: Dafür haben die Feiern nach Konzerten wirklich sehr hohen Unterhaltungswert.

Fritsch:
Und die Fahrten zum Konzert. Aber hallo!

Neulich, Samstagabend, Boxen in der ARD: Ein attraktives Frauen-Streichquartett spielt die Hymnen der Boxer. Was denken Sie, wenn Sie so etwas sehen?


Schalk: Der Beigeschmack ist etwas seltsam.

Schaller: Ein Streichquartett hat überall Potenzial, auch unter Wasser und auf Flugzeugen. Ich freue mich, wenn ich abgefahrene Aufträge bekomme.

Fritsch: Vier Streicherinnen beim Boxen, das hat natürlich auch immer einen gewissen Touch. Sex sells. Man muss das nicht unbedingt toll finden. Das Elisen Quartett würde jedenfalls auch mit Männern gut funktionieren. Wir hatten ja auch schon männliche Einspringer. Es zählt doch allein die Qualität, nicht der Sex-Appeal.

Schalk:
Stimmt. Aber trotzdem, wenn Klitschko anrufen und uns fragen würde, wir wären dabei.

Fritsch:
Zumal man mit Streichinstrumenten auch gut unterhalten kann. Ein Streichquartett ist nicht immer nur das geistreiche Gespräch unter vernünftigen Gesprächspartnern, als das Goethe es bezeichnet hat.

Macht Kammermusik glücklicher als Hip-Hop?

Fritsch: Ich wünsche den Hip-Hoppern so viel Freude, wie wir sie haben.

Schaller:
Kammermusik macht süchtig, auf jeden Fall! Man hat eine eigenständige Stimme, die man mit anderen in Balance bringt, wunderbar.

Schalk: Im Idealfall vergisst man sich beim Spielen. Es ist wie ein Rausch, ein Flow!

Fritsch: Und wir spielen großartige Werke! Es geht ja nicht um „wir, wir, wir“, sondern um Beethoven, Ravel, Haydn und so weiter. Die Stücke stehen im Vordergrund.

Wie überreden Sie Gleichaltrige, in Ihre Konzerte zu kommen?

Schaller:
Die kommen alle freiwillig.

Sind Sie sicher? Bei den traditionsreichen Soireen in Schloss Burgfarrnbach ist das Publikum, mit Verlaub, in Ehren ergraut.


Schalk:
Sicherlich versuchen wir, gegen das Klischee anzuarbeiten, dass Kammermusik ein Fall für ältere Zuhörer ist. Die Soireen sind ein spezieller Fall, denn sie sind fest in den Händen von Abonnenten. Jüngere Konzertgänger binden sich nicht oder nur ungern an ein Abo. Hinzu kommt, dass unsere Altersgruppe nun mal diejenige ist, die am wenigsten Zeit hat, abends noch vor die Tür zu gehen.

Hofmann:
Das merken wir ja bei uns selber. Drei von vier Elisen-Mitgliedern haben Familie, insgesamt ziehen wir sechs Kinder groß.

Schalk:
Zwischen drei und 16.

Fritsch: Und dann gehen Sie mal noch regelmäßig in Konzerte.

Was hat sich musikalisch in zehn Jahren im Elisen Quartett verändert?


Fritsch: Der Vertrauenszuwachs ist spürbar. Wir haben eine starke Basis entwickelt. Auch wenn zwei oder drei von uns gemeinsam in anderen Ensembles spielen, spüren wir die besondere Bindung zueinander.

Schaller:
Das ständige Aneinanderrumfeilen diszipliniert für andere Arbeit.

Schalk:
Und die Probenarbeit ist effektiver geworden.  

Sind Sie besser geworden?


Schaller: Puh, das überlassen wir Ihrem Urteil.

Fritsch:
Was ist die Messlatte? Viele sagen, es sei auffällig, wie intensiv wir zusammenspielen und klingen wie ein Körper.

Schalk:
Das ist ein großes Kompliment, finde ich!

Schaller: Der Austausch mit dem Publikum ist stärker geworden, es kommt heute von beiden Seiten mehr rüber als früher.

Fritsch:
Ich betrachte unsere Arbeit als eine ständige Fortbildung.

Schalk: Wir haben auch schon neue Noten gekauft, um völlig neu an ein Stück heranzugehen, frei von den alten Notizen und Anmerkungen.

Ein Stück, von dem Sie sagen, das haben wir am besten drauf?

Fritsch:
Nehmen Sie unsere Kostproben-CD, die bei unserem Jubiläumskonzert ausliegt. Aber ich könnte mich jetzt nicht für ein einzelnes Stück als unsere Visitenkarte entscheiden.

Schaller:
Ein Quartett mit einem ganz bestimmten Werk als Markenzeichen — genau das wollen wir, glaube ich, nicht sein.

Ein Stück, an dem Sie gründlich gescheitert sind?


Fritsch: Oha. Ähm...

Schaller:
Es gab Stücke, die sich Veranstalter gewünscht haben...

Schalk:
Jugendsünden.

Schaller:
Es gibt auch Stücke, die wir selber nicht so wahnsinnig lieben, aber unsere Zuhörer. Okay. Wir sind auch Dienerinnen des Publikums.

Ein Stück, von dem Sie sagen, wenn wir das können, sind wir die Queens?

Schaller: Beethoven, cis-Moll.

Fritsch: Spielen wir nächstes Jahr im Sommer.

Das ist der Gipfel.


Schaller: Ja. Wir sind dankbar, wenn uns Veranstalter in künstlerische Regionen treiben, die wir freiwillig nicht so schnell betreten würden.

 

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