Wegen Corona-Regeln im Einzelhandel: Brandbrief aus Fürth

20.3.2021, 13:50 Uhr
Wegen Corona-Regeln im Einzelhandel: Brandbrief aus Fürth

© Foto: Hans-Joachim Winckler

"Die Situation ist grausam für uns kleine inhabergeführte Einzelhändler, wirtschaftlich und seelisch", schreiben Maria Grazia Tricarico, Geschäftsführerin der Firma Internationale Mode Mary Lou GmbH, und ihr Mann Rolf Stumpf. Sie betreiben die Bekleidungsgeschäfte Mode Mary Lou, Mister Lou und Bellezza. Und sie fragen: "Warum darf ein Friseur mit Termin öffnen und wir nicht?"

Das kann auch die städtische Innenstadtbeauftragte Karin Hackbarth-Herrmann nicht verstehen. Es freut sie, dass nach dem neuen Corona-Stufenplan Blumenläden, Gartencenter, Baumärkte und Buchhandlungen neuerdings wie Lebensmittelläden, Drogerien oder Optiker zur Grundversorgung zählen, ihre Öffnung damit unabhängig ist von der Sieben-Tage-Inzidenz.

Sie hat auch nichts dagegen, dass Friseure oder Fußpflegeinstitute prinzipiell Kunden empfangen dürfen. Aber sie versteht nicht, dass ein Inzidenzwert über 100 an drei Tagen in Folge, wie er in Fürth am vorigen Samstag (13.03.21) laut Robert-Koch-Institut erreicht war, für andere Betriebe bedeutet, dass sie wieder zumachen müssen. Dass die Mode-, die Schuh- oder die Spielzeugbranche jetzt nur noch "Click & Collect" anbieten darf, das bloße Abholen bestellter Ware, aber nicht mehr "Click & Meet", das Shopping nach Terminvereinbarung.

Nach einem etwas holprigen Start am 8. März hat sich die von Verbrauchern eher skeptisch beurteilte Methode laut Hackbarth-Herrmann zumindest in Fürth ganz gut angelassen.

Inhabergeführter Einzelhandel: "Es brennt"

Jetzt aber sei die Stimmung im inhabergeführten Einzelhandel "katastrophal", sagt die Innenstadtbeauftragte. "Es brennt." "Click & Collect" werde von der Kundschaft kaum angenommen, klagen Tricarico und Stumpf. Und sie fragen: "Wie sollen wir wirtschaftlich überleben, wenn wir nicht handeln dürfen?"


120.000 Geschäften droht Pleite durch Lockdown


Ein "buntes Sammelsurium an Geschäften" dürfe öffnen, der Rest sei von der Inzidenz abhängig und nach ein paar Tagen "Click & Meet" ohne konkrete Perspektiven wieder geschlossen. "Das ist psychische Folter."

Dieselbe Sorge treibt Bastian Wurm-Trageiser um, Mitinhaber des Outdoor-Spezialisten Travel & Trek mit Filialen in Nürnberg und Fürth.

Travel & Trek: Immer neue Vorgaben und Regeln

In einem Facebook-Post hat er seinem jetzt Ärger Luft gemacht: "Wir können gerne die Zero-Covid-Strategie verfolgen...aber dann alle! Lebensmittel und Ärzte, fertig, der Rest bleibt drei Wochen dicht, ausnahmslos! Und jeder, der sich fragt, wer den Schaden später bezahlen soll, kombiniert einfach mal Watson-mäßig, wer anständig Gewerbesteuer und Lohnnebenkosten zahlt."

Unter einem Foto, das, wie er schreibt, eine verwaiste Nürnberger Fußgängerzone zur Mittagszeit am Freitag zeigt, berichtet Wurm-Trageiser entnervt von unzähligen Zetteln, die er "schon an der Tür hängen hatte mit immer neuen Vorgaben und Regeln" und von Gesprächen, die er mit Mitarbeitern führen müsse, "um allen die Ängste zu nehmen".

Brandbrief an Söder, Merkel und andere

Tricarico und Stumpf haben ihre Mail auch im Namen anderer "kleiner" Fürther Einzelhändler an alle politischen Instanzen geschickt, an die Verantwortlichen im Rathaus, die hiesigen Abgeordneten, an Ministerpräsident Söder, Bundeskanzlerin Merkel und an diverse Institutionen.

Sie üben Kritik an einer "willkürlichen Ungleichbehandlung", die ihres Erachtens "rechtlich auf tönernen Füßen steht". Und sie finden es alles andere als nachvollziehbar, dass etwa "überfüllte Drogerie- und Supermärkte weniger ansteckend sind als der restliche Einzelhandel".

Die Wirkung der Überbrückungshilfe III sei begrenzt und werde "keinen Händler retten", schreiben die Eheleute. Und sie fragen, wie die aktuelle Frühjahrs- und Sommerkollektion finanziert werden soll. In einigen Wochen seien "Wareneingänge in sechsstelliger Höhe zur Zahlung fällig. Wie soll das ohne Einnahmen funktionieren?"

"Click & Meet", unabhängig von der Inzidenz

Tricarico und Stumpf fordern eine Öffnungsperspektive, sie verlangen grünes Licht für "Click & Meet" – unabhängig vom Inzidenzwert. Und sie pochen auf Gleichbehandlung nach dem Motto "entweder alle auf oder alle zu".

"Warum in aller Welt", fragen sie, könne ein Kunde nicht Kleidung im Laden anprobieren, mit Maske, Abstand und allen hygienischen Vorsichtsmaßnahmen, "wenn körpernahe Dienstleistungen auf Termin möglich sind?"

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